Der Staat verteilt keine „Weihnachtsgeschenke“: Schenken und Erben von Immobilien wird teurer
Von den Wertsteigerungen bei Immobilien profitieren nicht nur Eigentümer, sondern auch der Staat. Im Jahr 2021 haben die Bundesbürger laut Statistischem Bundesamt Vermögen in Höhe von 118 Milliarden Euro verschenkt und vererbt. Dabei stieg die festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteuer um 30 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro. Diese Entwicklung zugunsten des Fiskus dürfte in den kommenden Jahren weiter nach oben gehen. Es gibt aber nach wie vor Gestaltungspielraum.
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Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld
Nach dem aktuellen Jahressteuergesetz sollen Immobilien bei Schenkungen und Erbschaften neu (höher) bewertet werden. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006, worin verlangt wurde, dass die Bewertung von Immobilien bei Erbschaften und Schenkungen dem tatsächlichen Verkehrswert entsprechen sollte. Für die Ermittlung des Verkehrswerts von Immobilien gibt es verschiedene Methoden. Laut den geplanten Änderungen soll das Bewertungsverfahren jetzt an die aktuellen Marktverhältnisse angepasst werden. Dadurch droht eine deutliche Verschärfung bei der Wertermittlung.
Genauer gesagt sollen durch das Jahressteuergesetz 2022 die bestehenden Regelungen der Grundbesitzbewertung gemäß der ImmoWertV vom 14. Juli 2021 geändert werden. Das bedeutet, dass die in den §§ 177 bis 198 BewG vorgesehenen Bewertungsverfahren für Grundstücke angepasst werden. Weitere Änderungen sind für das Ertragswert- und das Sachwertverfahren sowie die Bewertung von Sonderfällen (insbesondere Erbbaurechtsfälle) vorgesehen.
Beim Ertragswertverfahren soll der pauschale Ansatz der Bewirtschaftungskosten aufgegeben werden. Außerdem ist eine Herabsetzung der im Gesetz enthaltenen Liegenschaftszinssätze vorgesehen, wodurch sich die Immobilienwerte erhöhen, sofern diese angesetzt werden, weil die Gutachterausschüsse keine Werte veröffentlichen.
Beim Sachwertverfahren soll der Gebäudesachwert entsprechend der Ermittlung des Sachwerts der baulichen Anlagen nach § 36 ImmoWertV angepasst werden. Dazu ist die Einführung eines Regionalfaktors sowie eines Alterswertminderungsfaktors vorgesehen. Darüber hinaus werden die Wertzahlen angepasst. Als Folge könnten nur wegen der geänderten Bewertungsvorschriften die Grundstücke bzw. die Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften, die im Substanzwertverfahren zu bewerten sind, mit höheren Werten bei der Erbschaft- oder Schenkungsteuer anzusetzen sein.
Muss zukünftig jeder mehr Erbschaftsteuer zahlen?
Auch wenn die Änderungen nun zu beklagen sind, bleibt festzuhalten, dass mit dieser Gesetzesänderung bereits lange vor den explodieren Energiepreisen und der hohen Inflation zu rechnen war. Letztlich muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, wie sich die Gesetzesänderungen ganz konkret auf die steuerliche Wertermittlung auswirken.
Mit besonders hohen Steigerungen müssen grundsätzlich Immobilieneigentümer in begehrten Innenstadtlagen mit hohen Bodenpreisen und im Speckgürtel attraktiver Groß- und Mittelstädte rechnen. Für eine Vermeidung oder Reduzierung steuerlicher Belastungen wird es im Zweifel auf den steuerlichen Berater ankommen, der die Erbschaftsteuererklärung anfertigt. Hierbei kann außerdem noch versucht werden, einen möglichst niedrigen Wert gegenüber dem Finanzamt darzulegen. Das gilt unabhängig von den pauschalen Bewertungsmethoden der Finanzverwaltung und kann notfalls mit Hilfe eines Wertgutachtens erfolgen. Diese Möglichkeit gab es auch bisher schon bei der Erbschaftsteuer für Immobilien.
Viele Immobilien-Erbschaften bleiben zudem weiterhin steuerfrei, weil sie entweder unter den persönlichen Freibeträgen naher Angehöriger liegen, es sich um ein so genanntes Familienheim handelt, das von der Erbschaftsteuer befreit ist, oder aber um Anteile an so genannten Wohnungsunternehmen, die in den Genuss der Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen kommen.
Steuerfreie Übertragung an Ehepartner oder Kinder durch optimierte Gestaltungen
Die Übertragung von Immobilieneigentum kann zu Lebzeiten auch in Teilen erfolgen, um alle zehn Jahre die steuerlichen Freibeträge erneut auszunutzen. Außerdem gibt es Sonderregelungen für das Familienheim. Dieses kann bereits zu Lebzeiten steuerfrei an den Ehepartner übertragen werden.
Wenn die Immobilie beiden Ehepartnern gehört, kann jeder Ehepartner an jedes Kind Immobilienanteile im Wert von 400.000 Euro steuerfrei verschenken. Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern können die Eltern so an die beiden Kinder innerhalb von zehn Jahren einen Betrag von 1,6 Mio. Euro (vom Vater an jedes Kind 400.000 Euro und von der Mutter an jedes Kind 400.000 Euro) komplett steuerfrei übertragen.
Beispiel: Ein Einfamilienhaus in Städten wie beispielsweise Koblenz, Mainz oder Speyer im Wert von 600.000 Euro gehört beiden Eheleuten je zu Hälfte. Es ist nur ein Kind vorhanden. Da der Freibetrag des Kindes pro Elternteil 400.000 Euro beträgt, hat eine Schenkung zu Lebzeiten auf das Kind keine Steuerbelastung zur Folge. Selbst wenn sich der Wert des Hauses auf bis zu 800.000 Euro erhöhen würde, bliebe die gleichzeitige Übertragung durch beide Elternteile insgesamt steuerfrei. Ist das Haus noch im Alleineigentum eines Elternteils, sollte im ersten Schritt eine Hälfte auf den anderen Ehegatten (= 500.000 Euro Freibetrag) übertragen werden, damit anschließend jeder Elternteil seine Hälfte an das Kind übertragen kann.
Kinder können im Erbfall, d.h. beim Tod der Eltern, bezüglich des Familienheims außerdem von einer zusätzlichen sachlichen Steuerbefreiung profitieren: Auch wenn die persönlichen Freibeträge von 400.000 Euro pro Kind überschritten würden, muss das Kind beim Erbe des Familienheims keine Erbschaftsteuer zahlen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Kind mindestens zehn Jahre in der Immobilie wohnen bleibt und die Wohnfläche nicht mehr als 200 Quadratmetern beträgt.
Außerdem kann bei Übertragungen zu Lebzeiten mithilfe eines Nießbrauchs die Steuerbelastung reduziert werden. Wenn bei der Schenkung einer Immobilie an die Kinder ein Nießbrauch vereinbart wird, führt dies zu einer Reduzierung des Wertes der Immobilie. Mit dem Nießbrauch kann den Eltern das Recht eingeräumt werden, die Immobilie dauerhaft zu bewohnen oder zu vermieten. Bei der Steuerberechnung wird der Wert des Nießbrauchs vom Immobilienwert abgezogen, so dass sich die Bemessungsgrundlage für die Schenkungssteuer im Idealfall bis auf die vorhandenen persönlichen Freibeträge der Kinder reduziert. Je jünger die übertragende Person, desto höher ist der mögliche Abzugsbetrag für den Wert des Nießbrauchs.
Fazit: Eine geordnete und rechtssichere Nachfolge hat Priorität vor überstürztem Handeln
Geplant ist, dass die Änderungen für Bewertungsstichtage nach dem 31. Dezember 2022 gelten. Deshalb sollten Immobilieneigentümer kurzfristig prüfen, ob unentgeltliche Übertragungen von Grundstücken oder Anteilen an grundbesitzenden Unternehmen, die für die nächsten Monate sowieso angedacht waren, noch in das „alte“ Jahr 2022 vorgezogen werden können.
Aber: Auch wenn die Übertragung von Immobilien vom kommenden Jahr an teurer wird – eine Übertragung noch in diesem Jahr nur aus Steuerspargründen muss nicht die „beste“ Lösung sein. Denn letztendlich sollte immer nur Vermögen verschenkt werden, auf das der Übertragende in der Zukunft verzichten kann. Das gilt regelmäßig für Vermögen, das weder für den Lebensunterhalt noch für potenzielle Pflegekosten im Alter benötigt wird.
Wer die günstigere Bewertung im laufenden Jahr nutzen und eine Immobilie übertragen möchte, sollte zügig einen Notartermin vereinbaren. Denn dieser ist unabdingbar, um noch von den Bewertungen im laufenden Jahr profitieren zu können. Keine Rolle spielt hingegen, wann der Beschenkte im Grundbuch eingetragen wird.
Unser Autor: Ralf Schönfeld
ist Verbandsdirektor des
Landesverbands Haus
& Grund Rheinland-Pfalz.