„Ein Flop“: Haus & Grund und Mieterbund teilen klare Meinung zum „Heizungsgesetz“
Haus & Grund und der Deutsche Mieterbund vertreten zwar unterschiedliche Klientel. Beide Verbände wissen aber, dass es am Ende stets um einen fairen Interessenausgleich geht – und dass Wohnen bezahlbar bleiben muss. Entsprechend nah beisammen liegen sie in ihrer Einschätzung der aktuellen Probleme am Wohnungsmarkt. Zur Lösung gibt es einige gemeinsame Ideen – und ein klares Urteil zum Gebäudeenergiegesetz. Uneinigkeit besteht aber bei der Umlagefähigkeit der Grundsteuer.
In vielen – aber nicht allen Punkten – einig: RA Christoph Schöll (links), Vorsitzender des Landesverbands Haus & Grund Rheinland-Pfalz, und RA Franz Obst, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds – Landesverband Rheinland-Pfalz, trafen sich zum Gespräch über die aktuelle Lage am Wohnungsmarkt. - Foto: Haus & Grund
Haus & Grund und der Mieterbund arbeiten an vielen Stellen fair und vertrauensvoll zusammen. Ganz im Zeichen des guten Umgangs miteinander stand auch der aktuelle Austausch zwischen RA Christoph Schöll, Vorsitzender des Landesverbands Haus & Grund Rheinland-Pfalz, und RA Franz Obst, Vorsitzender des Deutscher Mieterbunds – Landesverband Rheinland-Pfalz. Im Interview mit dem Haus & Grund Magazin zeigen sie an vielen Stellen Einigkeit – auch wenn es naturgemäß zu manchen Fragen dann doch unterschiedliche Auffassungen gibt.
Herr Obst, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Bundesregierung hat sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat passiert. Was sind die Kritikpunkte des Mieterbundes? Und was ist aus Ihrer Sicht gut daran?
Franz Obst: Das Problem beim Gebäudeenergiegesetz ist, dass keiner so richtig Bescheid weiß, was nun wirklich Sache ist. Teils stammen die Informationen noch aus dem alten Entwurf, der ja völlig daneben war, teils speist sich das Halbwissen aus dem neuen Entwurf, der nun Gesetz ist. Und dann ist die Frage, welche Halbwertzeit dieses Gesetz hat, denn verschiedene Interessengruppen haben ja bereits angekündigt, dagegen Klage zu erheben.
Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz nicht ausgewogen. Die Kosten für die Mieter sind zwar eingeschränkt worden, können sich aber unter bestimmten Umständen immer noch auf 3 Euro je Quadratmeter erhöhen. Ein weiteres Problem für uns ist, dass die Modernisierungsumlage für Mieter bei 10 Prozent liegen kann. Das ist zu viel.
Positiv in meinen Augen ist hingegen, dass den Mietern die Möglichkeit eingeräumt wurde, Einwand wegen wirtschaftlicher Härte zu erheben. Und bei Index-Mieten sind generell Mieterhöhungen ausgeschlossen.
Fakt aber ist, dass etliche unglückliche Schritte der Bundesregierung dazu geführt haben, dass die Kosten für Energie und die gewünschte energetische Sanierung erheblich gestiegen sind. Da stellt sich die Frage: Wie soll man das gerecht zwischen Vermieter- und Mieterseite aufteilen – da fehlt mir die Fantasie. Aus Sicht des Mieterbundes müsste es doch so sein, dass sich höhere Kosten für Modernisierungen so auswirken, dass die Heizkosten für die Mieter sinken. Dem ist aber im Moment nicht so, und ich fürchte, dass dies auch in Zukunft so schnell nicht kommen wird.
Und wie sehen Sie, Herr Schöll, das Gesetz aus Sicht des Eigentümerverbands Haus & Grund?
Christoph Schöll: Dieses Gesetz ist schlecht. Es ist bürokratisch und überfordert die Eigentümer, auch vor dem Hintergrund, dass rund 70 Prozent der Vermieter in Rheinland-Pfalz über 60 Jahre alt sind. Das Förderszenario gerade für ältere Eigentümer aber ist völlig unzureichend. Wer sein Haus energetisch sanieren und eine Wärmepumpe einbauen will, kommt schnell auf Investitionen von weit über 100.000 Euro – wie das für die Mehrheit der Eigentümer umsetzbar sein soll, ist mir ein Rätsel. Ich sage: Dieses Gesetz wird ein Flop.
Franz Obst: Das sehe ich genauso. Das GEG überfordert Mieter und Vermieter gleichermaßen.
Im GEG wird die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gefordert, noch vehementer sehen die Sanierungspläne der Europäischen Union aus. Wie, Herr Obst, sollen die teils immensen Kosten für diese Sanierungsvorhaben zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden?
Franz Obst: Ich sagte ja eben schon, wie die Kosten halbwegs gerecht aufgeteilt werden sollen, weiß ich wirklich nicht. Vor allem beim ersten Entwurf des GEG waren Leute am Werk, die ihr Handwerk nicht verstehen.
Christoph Schöll: Wie Franz Obst zurecht sagt: Das GEG überfordert Vermieter und Mieter gleichermaßen. Gerade für Mieter mit kleinem Portemonnaie ist der unsanierte Mietraum bezahlbar, dafür sind dann aber die Wärmekosten höher. Die Forderung nach besserem Klimaschutz ist ja gut und schön, aber es muss am Ende des Tages für die Menschen bezahlbar bleiben.
Statt wie von der Bundesregierung geplant 400.000 neue Wohnungen im Jahr, wurden 2022 nur 295.000 gebaut, in diesem Jahr sollen es 245.000 sein und im kommenden Jahr sogar noch weniger. Herr Schöll, wie sieht aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation am Wohnungsmarkt in Rheinland-Pfalz aus?
Christoph Schöll: Der Wohnungsmarkt ist in allen Städten dicht. Einerseits wird zu wenig gebaut; andererseits müssen wir parallel dazu viele Asylbewerber und ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. Wir sind da an einem Kipppunkt – wenn der nicht sogar schon überschritten ist.
Franz Obst: Das sehe ich exakt genauso.
Welche Rezepte haben Sie als Sprecher von Haus & Grund und Mieterbund parat, um der Krise beim Neubau zu begegnen?
Christoph Schöll und Franz Obst: Auf diese Frage können wir zusammen antworten: Wir benötigen dringend eine Reform der Grunderwerbsteuer in Rheinland-Pfalz, die zurzeit einfach zu hoch ist. Dann braucht es unbedingt wieder eine Verbesserung der Eigenheimförderung für Familien. Außerdem müssen mehr Baugebiete ausgewiesen werden und vor allem in den Städten sollte man überlegen, ob Bestandsgebäude leichter aufgestockt werden können. Bei der derzeitigen Zinsentwicklung und den Baukosten muss der Staat mit Zinsförderprogrammen über die KfW-Bank einspringen, und zwar nicht nur im Sozialwohnungsbau, sondern auch für den freien Wohnungsbau. Das hat es schon mal gegeben. Das Baurecht muss endlich bundesweit vereinheitlicht werden. Es steht aber zu befürchten, dass diese Bundesregierung den Sinn für diese Realitäten verloren hat. Sie hat nicht begriffen, was jetzt notwendig ist, und sie wird es vermutlich auch nicht begreifen.
Zumindest aber kommen weitere Verbesserungen für Investoren bei der AfA. Neben der Erhöhung der linearen AfA von 2 auf 3 Prozent und der Sonder-AfA für besonders klimafreundlichen Mietwohnungsneubau wird die degressive AfA wieder eingeführt.
Christoph Schöll: Ja, das ist ein kleiner Lichtblick. Und Bundesbauministerin Geywitz zweifelt mittlerweile ihre eigenen früheren Aussagen an, was Dämmung von Häusern angeht. Das wird aber nicht reichen, um einen Umschwung auf dem Baumarkt zu schaffen. Da braucht es schon mehr.
An beide Herren: Stimmen Sie zu, dass ausreichender Wohnungsbau Entspannung auf dem Immobilienmarkt und letztlich auch bei den Mietkosten bringen kann?
Christoph Schöll: Das ist auf jeden Fall so. Als nach der Wende in den 1990er Jahren sehr viel gebaut wurde, hat das die Mieten gedrückt und für Entlastung auf dem Markt gesorgt.
Franz Obst: Ich sehe das auch so. Am Ende des Tages wird das aber davon abhängen, wie sich die Zinsen und die Baukosten entwickeln. Wenn die nach unten gehen, kann der Vermieter auch preiswerter vermieten. Wie gesagt: Hier muss sich der Bund mehr engagieren.
Christoph Schöll: Der Staat muss jetzt eingreifen, denn wir befinden uns im Moment in einer richtigen Sackgasse. Und das führt meines Erachtens jetzt schon zu gesellschaftlichen Verwerfungen, die für unser Gemeinwesen sehr gefährlich sind.
Herr Schöll, aus Sicht von Haus & Grund zeigt die eigentümerfeindliche Politik der vergangenen Jahre ihre Folgen – die Eigentümerquote in Rheinland-Pfalz ist in vier Jahren um fast sieben Prozent eingebrochen. Statt immer neuer populistischer Forderungen nach Mietenstopp oder Klagen über Mietbelastungsquoten braucht es, so Haus & Grund, Reformen der Erwerbsnebenkosten und Maßnahmen zur Senkung der (staatlich beeinflussten) Wohnnebenkosten. Können Sie das näher erläutern?
Christoph Schöll: Zunächst einmal ist die niedrigere Eigentumsquote in Rheinland-Pfalz auch darauf zurückzuführen, dass die Kaufpreise auf dem Immobilienmarkt in der Niedrigzinsphase explodiert sind, was sich vor allem jüngere Leute nicht leisten können, selbst wenn sich das jetzt wieder etwas einpendelt. Ein Problem sind die Erwerbskosten, von denen die Grunderwerbsteuer den größten Posten darstellt. Die Forderung des Mieterbundes nach einem Mietenstopp lehnen wir ab. Er wird nur dazu führen, dass viele Immobilien nicht mehr bewirtschaftet und instandgehalten werden können. In der Summe ist das mit ein Grund, warum sich Investoren aus dem Wohnungsbau zurückziehen: Mit geringeren Mieteinnahmen können Immobilien nicht mehr finanziert werden. Das ist ganz einfach.
Herr Obst, der Mieterbund sorgt sich dagegen um die Höhen der Mieten. Allerdings liegt die Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete und so genannte kalte Nebenkosten ohne Wärme und Strom) in unserem Bundesland im Schnitt bei 7,80 Euro je Quadratmeter gegenüber 8,60 Euro bundesweit. Die Kosten für Haushaltsenergie sind heute um 39,1 Prozent höher als noch vor einem Jahr. Dagegen ist die tatsächliche Nettokaltmiete seit August 2022 nur um 2,2 Prozent gestiegen, also weit unter der Inflation, während die Bruttoeinkommen gleichzeitig gestiegen sind. Können Sie Haus & Grund zustimmen, dass die Belastung der Mieter nicht wegen der Kaltmieten steigt, sondern aufgrund der Nebenkosten für Wärme und Strom?
Franz Obst: Es ist sicherlich richtig, dass die Belastung der Mieter vor allem durch die Nebenkosten dramatisch steigt. Aufgrund der aktuellen Zinsentwicklung und der Baukosten werden aber perspektivisch auch die Kaltmieten steigen. Ich denke, man muss das Machbare im Auge behalten: Wenn die Mieten weiter steigen, dann werden sich die Leute umsehen müssen, wo sie günstiger wohnen können. Dies begünstigt die Flucht aus der Stadt aufs Land, was aber wiederum die Forderung nach Reduzierung des Energieverbrauchs konterkariert und den Individualverkehr erhöht. Was die höheren Einkommen angeht, so bleibt den Menschen davon ja herzlich wenig, denn die werden ja so schon durch gestiegene Kosten etwa beim Einkauf infolge der Inflation aufgezehrt. Der statistische Warenkorb ist da meines Erachtens nicht repräsentativ.
Christoph Schöll: Trotzdem: Nicht die Mieten, sondern die massive Verteuerung des Wohnens durch die Nebenkosten sind das Problem.
Franz Obst: Ich will das gar nicht kleinreden, die Nebenkostenbelastung ist das, was zurzeit weh tut. Und perspektivisch werden diese Kosten meines Erachtens in den kommenden Jahren weiter steigen, auch wenn uns Teile dieser Bundesregierung etwas Anderes erzählen wollen.
Christoph Schöll: Die Ursachen dafür sind politischer Natur. Dass etwa Kernkraftwerke im Sinne tragbarer Stromkosten ausgerechnet jetzt abgeschaltet wurden, ist reine Ideologie. Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts zu tun.
Franz Obst: Das sehe ich auch so. Als der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einem Besuch in der Ukraine an einem AKW gefragt wurde, ob die nicht auch abgeschaltet werden müssten, hat er geantwortet: „Wieso, die sind doch in Ordnung.“ Das verstehe, wer will: Wir bezahlen teures Geld für den Import von Atomstrom aus Frankreich, der aus maroden Meilern stammt, anstatt unsere Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen.
„Grundsteuer dient der Finanzierung der kommunalen Infrastruktur“
Herr Schöll, die Grundsteuerreform für Mietverhältnisse zeigt jetzt bereits, dass teils mit heftigen Erhöhungen zu rechnen ist. Was sagen Sie angesichts dieser Tatsache zur Forderung des Mieterbundes zur Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer bei den Betriebskosten? Wäre dies für private Vermieter finanziell zu verkraften?
Christoph Schöll: Eindeutig nicht. Das würde die Investitionskraft der Vermieter schwächen. Wir sehen jetzt schon, dass die Grundsteuer in guten Lagen der Innenstädte steigen wird, wogegen wir uns wehren. Prinzipiell gibt es aber keinen Grund, warum ein Vermieter diese Steuer für seine Mieter zahlen sollte. Denn es handelt sich um eine kommunale Steuer, also einen Beitrag zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur, in der man lebt.
Franz Obst: Früher war es doch mal so, dass in der Miete alles enthalten war. Dann kamen für den Mieter immer mehr Nebenkosten hinzu, von denen wohl niemand gedacht hat, dass sie mal so explodieren und die Mieter in einem solchen Ausmaß belasten würden. Ich frage ernsthaft: Was habe ich als Mieter wirklich von der Grundsteuer? Meines Erachtens sind Grund und Boden allein Sache des Vermieters und Eigentümers.
Christoph Schöll: Das ist der falsche Ansatz. Die Grundsteuer geht „eins zu eins“ an die Kommune und wird für die kommunale Infrastruktur verwendet. Und die wird nicht nur von Eigentümern, sondern auch von Mietern genutzt. Da muss jeder muss seinen Beitrag leisten.
Franz Obst: Nein, die Mieter haben den Schaden, aber kaum Vorteile.
Christoph Schöll: Nochmals, wenn der Mieterbund die Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer fordert, führt dies nur zu weiteren Belastungen der Eigentümer. In der Folge würde noch weniger gebaut und vermietet.
Franz Obst: Ich glaube nicht, dass die Grundsteuer dafür ausschlaggebend ist. Aber da liegen wir halt weit auseinander.
Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes ist es erforderlich, den Betrachtungszeitraum für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete dahingehend zu ändern, dass nicht nur die Neuvertragsmieten und Mieterhöhungen der letzten sechs Jahre, sondern alle Mieten in die Betrachtung einbezogen werden, jedenfalls aber die Neuvertragsmieten und Mieterhöhungen der letzten acht bis zehn Jahre. Können Sie dieses Ansinnen kurz erläutern?
Franz Obst: Wir wünschen uns, dass der Betrachtungszeitraum erweitert wird, um ein breiteres Spektrum zu bekommen. Das wird Einfluss auf die Bestandsmieten haben, da diese dann nicht so stark steigen werden.
Begrenzung der Mieten auch in bestehenden Mietverhältnissen?
Herr Schöll, damit Wohnungen bezahlbar bleiben, hält es der Deutsche Mieterbund zudem für erforderlich, dass die Mieten nicht nur bei Neuvermietungen, sondern auch in bestehenden Mietverhältnissen wirksam begrenzt werden und fordert deshalb nicht nur Änderungen bei den Vergleichsmieten, sondern auch die Kappungsgrenze bundesweit einheitlich zu senken. Außerdem sollen Mieterhöhungen nach Modernisierungen begrenzt werden, sodass die erhöhte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 Prozent überschreiten darf. Welche Auswirkungen werden solche Schritte Ihres Erachtens haben?
Christoph Schöll: Ich halte das für hochproblematisch und wir lehnen dies ab. Wenn die Mieten immer weiter eingedampft werden und parallel dazu die Bewirtschaftungskosten fast ins Unermessliche steigen, fehlt das Geld, um die Immobilie instandzuhalten. Das tut dem Wohnungsbestand nicht gut. In der Summe sind das alles Dinge, die auch den Wohnungsneubau behindern, den wir, da bin ich mir mit Franz Obst ja einig, dringend brauchen.
Der Arbeitstitel unseres Interviews lautete „Streitgespräch“. Als Fazit darf aber festgehalten werden, dass es zwischen Ihnen beiden mindestens ebenso viele Gemeinsamkeiten gibt wie Streitpunkte…
Franz Obst: Dem ist tatsächlich so, weil Mieter und Vermieter in vielen Bereichen in einem Boot sitzen. Ich denke, Haus & Grund und Mieterbund sollten sich auf Bundesebene zusammensetzen, um interessengerechte Lösungen für die Probleme zu finden, die die Politik verursacht hat. Und wir sollten unsere Forderungen an die rheinland-pfälzische Landesregierung und die Bundesregierung herantragen, die die Bodenhaftung verloren hat, was teilweise auch für die Regierenden in Mainz gilt.
Christoph Schöll: Dem schließe ich mich uneingeschränkt an.
Vielen Dank für das Gespräch.