Klimaschutz für die Bürger hierzulande braucht mehr Plan statt Aktionismus

Die im Gebäudeenergiegesetz vorgesehenen Zwangsvorgaben lassen viele Eigentümer rat- und hilflos zurück, statt sie beim Klimaschutz „mitzunehmen“. Anstelle der Brechstange sollte die Politik besser auf kompetente Beratung setzen. Ein Mittel dazu: individuelle Sanierungsfahrpläne.

Symbolbild Sanierungsfahrplan: Unterlagen zum iSFP

Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld

Gerade rund um die energetische Immobiliensanierung ist eine sachliche Auseinandersetzung mit der individuellen Situation wegen der in den vergangenen Monaten vermurksten politischen Kommunikation nahezu unmöglich geworden. Mit immer mehr Zwang und Verboten werden die Bürger von der Politik überfordert und nicht „mitgenommen“. Durch die erzeugte Panikstimmung wird sogar eher das Gegenteil erreicht, weil immer mehr Eigentümer „noch schnell“ eine neue Gas- oder Ölheizung einbauen wollen.

Verschärfung des GEG-Gesetzes mit der Brechstange sorgt für Verzweiflung bei Eigentümern

Mitte Mai hat der Bundesrat zu dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) Stellung genommen und auf 31 Seiten seine Änderungswünsche dokumentiert. Diese Stellungnahme wurde der Bundesregierung zugeleitet, die dazu eine Gegenäußerung verfassen wird. Bis zum Redaktionsschluss war noch nicht absehbar, ob und welche kritischen Paragrafen im weiteren parlamentarischen Verfahren „geheilt“ werden. Die 1. Lesung im Bundestag fand am 25. Mai statt; die 2. und 3. Lesung sind für Mitte/Ende Juni geplant. Danach wird sich der Bundesrat noch einmal abschließend mit dem so genannten Einspruchsgesetz (siehe Kasten weiter unten) befassen.

Die Stellungnahme des Bundesrats ist ein Sammelsurium der Meinungen der verschiedenen Ausschüsse. Dadurch gibt es zum Teil unterschiedliche Änderungsvorschläge und nur wenige Punkte, bei denen Einigkeit bestand. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme z.B. nicht auf die vom Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfohlene Verschiebung des Starttermins um drei Jahre verständigen können. Stattdessen wird gefordert, die Nutzung von Geothermie und von raumlufttechnischen Anlagen zur Wärmerückgewinnung als weitere Optionen zuzulassen. Außerdem soll der Quartiersansatz im Gebäudeenergiegesetz umfassend verankert werden.

Altersgrenze Ü80 vom Bundesrat kritisiert

Der Bundesrat plädiert außerdem dafür, die Altersgrenze von 80 Jahren durch eine einfach zu administrierende Härtefallklausel zu ersetzen, die auch konkrete Sachgründe einbezieht und soziale Kriterien berücksichtigt, oder auf eine sachlich begründbare Altersgrenze, wie das Renteneintrittsalter, abzusenken.

Das wäre an dieser Stelle ein kleiner Fortschritt, nachdem das Bundeswirtschaftsministerium die 80-Jahres-Grenze zuvor allein damit begründet hatte, dass im Alter von 80 Jahren viele Menschen pflegebedürftig und deshalb mit einer Heizungssanierung überfordert seien. Eine solch zynische Begründung zeigt, wie weit so manche Ministerialbeamte in Berlin von der Lebenswirklichkeit der Bürger im ländlichen Raum entfernt sind.

Eine planvolle Umsetzung des Koalitionsvertrags ist ausreichend – und wirksamer

Mit einem Festhalten an der Umsetzung zum 1. Januar 2024 wird Druck aufgebaut, der für Verzweiflung und Ratlosigkeit bei vielen Immobilieneigentümern, gerade im ländlichen Raum sorgt:

  • Es fehlen Energieberater, die zeitnah objektiv beraten können.
  • Es fehlen Handwerker, die zeitnah Sanierungsmaßnahmen umsetzen können.
  • Es fehlen Materialien und Produkte für eine zeitnahe Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen.
  • Es fehlen zuverlässige Informationen, wer in welchem Umfang finanzielle Förderung bekommt.

Statt einer in der Praxis vollkommen unrealistischen Zielvorgabe sollte die Bundesregierung bei den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag bleiben. Darin steht u.a. im Kapitel „Klimaschutz im Gebäudebereich“:

Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden

Um eine wirtschaftlich effiziente, sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele, insbesondere orientiert an der eingesparten Tonne CO2, sicherzustellen, setzen wir auf passgenaue und technologieoffene Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen. Die Förderprogramme werden wir den Zielen und Bedarfen entsprechend weiterentwickeln und umschichten.

Wir streben eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen an und werden diese z.B. für Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes kostenlos machen.“

Es braucht für alle Beteiligten einen realistischen Vorlauf

Ein nun bereits zum 1. Januar 2024 durchgedrücktes Zwangsgesetz für 83 Millionen Deutsche wird bei rund 8 Milliarden Menschen weltweit die globalen Klimafolgen nicht verhindern. Statt in typisch deutscher Manier übereifrig und detailversessen voranzuschreiten, wäre es daher besser, neue gesetzliche Vorgaben erst zum 1. Januar 2025 zu planen, um so für alle Beteiligten einen realistischen Vorlauf zu bieten, damit eine Umsetzung zur Erfolgsgeschichte wird und die Menschen „mitgenommen“ werden.

Der individuelle Sanierungsplan als Chance für effektiven Klimaschutz

Besonders die schon im Koalitionsvertrag erwähnte systematische Nutzung von individuellen Sanierungsfahrplänen (iSFP) muss am Anfang eines Sanierungsprozess für Gebäude stehen. Der iSFP kann für Sanierungsvorhaben von Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern genutzt werden. Voraussetzungen, um Fördermittel zu erhalten sind, dass das Gebäude mindestens zehn Jahre alt ist und vorwiegend als Wohngebäude genutzt wird.

Durch den individuellen Sanierungsfahrplan steigt der Aufwand im Vergleich zur einfachen Energieberatung zu Hause, weshalb die Rechnung dafür höher ausfallen kann. Das Beratungshonorar wird aber derzeit mit bis zu 80 Prozent bezuschusst. Nur 20 Prozent müssen Sie selbst bezahlen, wobei die Honorarsummen stark unterschiedlich ausfallen können. Der von Ihnen zu zahlende Anteil liegt in der Regel zwischen 300 und 900 Euro. Dieses Geld ist meist gut angelegt, weil bereits die ersten umgesetzten Sanierungen diese Kosten üblicherweise mehr als ausgleichen.

Sinn des Fahrplans ist es, nicht nur energetisch, sondern auch finanziell optimale Lösungen auszuarbeiten, so dass unter dem Strich eine klare Kostenersparnis für Verbraucher angestrebt wird. So sollen von vornherein mögliche künftige Zusatzkosten vermieden werden, die durch eine falsche Reihenfolge oder Herangehensweise entstehen können.

Nadelöhr Energieberater: Wartezeiten bis zu sechs Monaten

Für energetisches Sanieren muss ein vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) anerkannter Energieberater hinzugezogen werden, um Förderungen vom Staat zu erhalten. Die Wartezeiten bei Beauftragung einer solchen qualifizierten Energieberatung hängen von der Auftragslage der Angefragten ab. Eine Wartezeit von bis zu sechs Monaten ist derzeit realistisch. Selbst die Wartezeiten für Termine für eine allgemeine Beratung in einer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz können aktuell an einzelnen Orten vier bis zwölf Wochen betragen.

Fazit: Der Weg ist das Ziel – Statt Verbotspolitik braucht es Sanierungsfahrpläne für alle

Nochmal: Die bei der GEG-Reform bereits zum 1. Januar 2024 vorgesehenen Zwangsvorgaben lassen viele Eigentümer rat- und vor allem hilflos zurück, anstatt diese beim Klimaschutz „mitzunehmen“.

Haus & Grund fordert deshalb, dass zunächst eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen angestrebt wird. Besser wäre, allen Eigentümern bis 2025 einen kostenlosen individuellen Sanierungsfahrplan für ihr Gebäude zur Verfügung zu stellen und frühestens dann strengere Vorgaben für Heizungen zu machen. Nur wenn Eigentümer wissen, wann sie welche Klimaschutzmaßnahmen durchführen sollten, damit ihr Gebäude klimaneutral wird, sind Klimaschutz und bezahlbares Wohnen in Einklang zu bringen.

Eine Beschränkung des kostenlosen Angebots von individuellen Sanierungsfahrplänen auf Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, greift zu kurz und ignoriert die soziale und finanzielle Leistungsfähigkeit der Eigentümer. Hier sollte das gemeinsame Ziel, ein CO2-neutraler Gebäudebestand bis 2045, Ansporn und Maßstab für eine uneingeschränkte Förderung sein.

Einspruchsgesetz

Einspruchsgesetze sind in Deutschland Bundesgesetze, die ohne Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten können. Der Bundesrat kann nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens gegen das Gesetz mit der Mehrheit der Länderstimmen Einspruch erheben. Dieser Einspruch kann durch den Bundestag mit Mehrheit überstimmt werden.

Internet-Links zum Thema:

Ausführliche Informationen zum Thema:

 

Unser Autor: der Landesverbandsdirektor Ralf Schönfeld

Unser Autor: Ralf Schönfeld 
ist Verbandsdirektor des 
Landesverbands Haus 
& Grund Rheinland-Pfalz.

 

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