Nach der Hochwasserkatastrophe: Haus & Grund beantwortet Rechtsfragen
Die verheerenden Hochwasserfluten im Juli haben zu erheblichen Schäden und Sorgen um die Wiederherstellung der Wohnungen und Häuser geführt. Das wirft im Einzelfall auch einige rechtliche Fragen für Eigentümer und Vermieter auf. Wir geben hier eine erste Orientierung.
Foto: Enrico Di Cino / Adobe Stock
Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld
Nach dem ersten Schock über die verheerenden Hochwasserfluten im Juli werden die anstehenden Herausforderungen zur Krisenbewältigung immer konkreter. Das trifft Vermieter wie Mieter gleichermaßen. Im konkreten Einzelfall gibt es vielfältige offene Fragen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Haus & Grund möchte Eigentümern und Vermietern helfen und gibt eine erste Orientierung zu den wichtigsten rechtlichen Fragestellungen.
Welche allgemeinen Rechte und Pflichten haben Vermieter und Mieter?
Der Vermieter ist bei einer Beschädigung der Mietsache durch „höhere Gewalt” nach § 535 Abs.1 S.2 BGB verpflichtet, den vertragsgemäßen Zustand der vermieteten Sache wiederherzustellen. Er muss also verschuldensunabhängig Gebäudeschäden und Schäden an der vermieteten Wohnung, die durch das eingedrungene Hochwasser verursacht wurden, beseitigen. Er ist zuständig für die Entsorgung von Schutt, unbrauchbaren Gegenständen, soweit sie mitvermietet waren, und von Schlamm aus der Wohnung und vom Grundstück. Die Reparaturverpflichtung umfasst auch die notwendigen Tapezier- und Renovierungsarbeiten. Eine Umlage dieser Kosten auf Mieter ist nicht möglich.
Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter sämtliche Schäden anzuzeigen. Ein Versäumnis des Mieters kann einen Schadensersatzanspruch des Vermieters begründen, sofern sich das Ausmaß der Schäden durch Unterlassen der Anzeige noch erhöht.
In den vermieteten Räumlichkeiten (Wohnraum oder Gewerberaum) selbst muss der Vermieter nur Schäden an mitvermieteten Gegenständen übernehmen. Hausrat oder Gegenstände, die dem Mieter gehören wie z.B. Möbel, Lampen, Kleidung muss der Mieter selbst ersetzen.
Was ist bei einer Zerstörung der Mietsache zu beachten?
Im Falle der vollständigen Zerstörung des Hauses endet das Mietverhältnis automatisch ohne Kündigung und damit die Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung. Bei nur teilweiser Zerstörung der Wohnung ist der Vermieter grundsätzlich verpflichtet, das Haus wieder aufzubauen bzw. instand zu setzen. Dies gilt nicht, wenn das Mängelbeseitigungsverlangen des Mieters treuwidrig ist, weil ein krasses Missverhältnis zwischen Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie der Höhe der Miete andererseits besteht und die Mangelhaftigkeit nicht vom Vermieter verschuldet worden ist.
Wann und wie hoch darf ein Mieter die Miete mindern?
Die Überflutung der Mieträume und der Nebenräume gilt als so genannter „nachträglicher Mangel“ nach § 536 BGB. Eine Mietminderung bis hin zur vollständigen Einstellung der Mietzahlung bei vollständiger Unbewohnbarkeit ist grundsätzlich möglich. Die Höhe der Mietminderung richtet sich nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung. Dies ist in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu bewerten. Da dies stets eine Frage des Einzelfalls ist und nicht pauschal beantwortet werden kann, sollte eine Beratung durch den Haus & Grund Ortsverein erfolgen, um die angemessene Minderungsquote individuell zu ermitteln.
Ist eine Wohnung unbewohnbar, dürfte die Mietminderung bei 100% liegen. Ist die Wohnung jedoch lediglich für den halben Monat unbewohnbar, kann der Mieter die Miete um 50% mindern. Setzt der Vermieter zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden im Gebäude Trocknungsgeräte ein, kann der Mieter ebenfalls mindern. Auch hier ist die Minderungsquote im Einzelfall zu bestimmen. Eine provisorische Weiterbenutzung der beschädigten Räume schließt grundsätzlich eine Minderung um 100% nicht aus.
Kann der Mietvertrag wegen Hochwasser gekündigt werden?
Der Mieter kann wegen gravierender Flutschäden den Mietvertrag fristlos wegen Gesundheitsgefährdung kündigen, wenn die Mieträume nicht kurzfristig wieder in einen hygienischen und brauchbaren Zustand versetzt werden können. Zusätzlich kommt eine außerordentliche, fristlose Kündigung wegen Entzugs des vertragsgemäßen Gebrauchs nach § 543 Abs.2 Nr.1 BGB in Betracht. Die Behinderung des vertragsgemäßen Gebrauchs muss erheblich sein. Der Mieter muss dem Vermieter grundsätzlich zuerst die Möglichkeit geben, die Mängel und damit verbundene Einschränkungen des vertragsgemäßen Gebrauchs zu beheben, und er muss ihm hierzu eine angemessene Frist setzen.
Die Gewerberaummiete ist in vielen Fällen differenzierter zu beurteilen. Kann die Mietsache instand gesetzt werden, wird der Mietvertrag – von Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich fortgesetzt. Für das Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung (durch fristlose Kündigung oder wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage) ist zu prüfen, ob der Umstand der Überflutung und der dadurch bedingten erforderlichen Instandsetzung dem Mieter eine vorzeitige Vertragsauflösung ermöglicht. Dabei ist zu klären, ob man für den Zeitraum der nicht möglichen Nutzung die Unmöglichkeitsregeln oder das Gewährleistungsrecht anwendet. In jedem Fall muss der zugrunde liegende Vertrag sorgfältig geprüft werden.
Welche Besonderheiten gibt es bei Eigentumswohnungen?
Nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Im Rahmen solcher Eilmaßnahmen benötigt der Verwalter keinen Beschluss der Wohnungseigentümer. Für die Behebung von Schäden im Sondereigentum (z.B. Bodenbelag in der Wohnung) ist alleine der Wohnungseigentümer zuständig. In vermieteten Wohnungen muss der Vermieter nur Schäden an den mitvermieteten Gegenständen übernehmen.
Bei erheblichen Zerstörungen der WEG-Anlage kann § 22 WEG relevant werden. Wenn das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist, kann danach der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden kann.
Welche steuerlichen Entlastungen gibt es?
Betroffene der Flurkatastrophe in Rheinland-Pfalz können zur Linderung ihrer finanziellen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Schäden zahlreiche Möglichkeiten für steuerliche Entlastungen nutzen. Ausführliche Hinweise dazu enthält der vom Finanzministerium veröffentlichte so genannte Katastrophenerlass vom 16. Juli 2021. Darin sind umfangreiche steuerliche Regelungen für Betroffene der aktuellen Unwetterkatastrophe enthalten. Neben Regelungen für Unternehmen oder Landwirte gibt es auch wichtige Hinweise für selbstnutzende Immobilieneigentümer und Vermieter, die nicht nur die Einkommensteuer, sondern auch die Grundsteuer sowie Fragen der Steuerstundung oder den Spendenabzug betreffen.
Was wird alles durch die Versicherung entschädigt?
Eigentümer können mit Versicherungsleistungen nur rechnen, wenn die Gebäudeversicherung auch Elementarschäden einschließt. Wenn Schutz gegen Elementarschäden besteht, können bei selbstnutzenden Eigentümern und Mietern die Einrichtungsgegenstände (Wohnraum) ggf. über die Hausratversicherung abgesichert sein. Eine Inhaltsversicherung mit Elementardeckung (Gewerbe) kommt z.B. für Schäden an technischer und kaufmännischer Betriebseinrichtung sowie für Waren und Vorräte auf.
Wenn Sie sich unsicher sind, wie es sich in Ihrem Fall verhält, hilft nur ein Blick in den Versicherungsschein. Fragen Sie bei der Versicherung nach oder melden Sie den Schaden direkt. Die Versicherung wird Ihnen dann mitteilen, ob für Überschwemmungen Versicherungsschutz besteht oder nicht. Das gilt auch für die Frage, wie es mit dem Versicherungsschutz für Grundstücksbereiche neben dem eigentlichen Gebäude, wie zum Beispiel Wege, Garagen, Carports, Beleuchtungsanlagen, Mauern, Zäune, Hecken etc., aussieht.
Bei den Leistungen der Versicherungen sollten Betroffene genau prüfen, welche Regulierungsangebote erfolgen. Eine frühzeitige pauschale Abgeltung, um schnell Geld zu erhalten, kann auf lange Sicht nachteilig sein. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann hier wertvolle Hinweise bieten, um die eigene Position gegenüber der Versicherung optimal zu wahren.
Haus & Grund SonderinformationAusführlichere Informationen zu den angesprochenen Rechtsfragen bietet eine Haus & Grund Sonderinformation, die Sie hier kostenlos herunterladen können: Im konkreten Einzelfall oder bei streitigen Auseinandersetzungen sollten Sie immer eine Beratungsstelle aufsuchen. Nur so kann individuell anwaltlich beraten und die jeweils geltende Rechtslage berücksichtigt werden. Bei weiteren Fragen oder fehlenden Informationen stehen Ihnen die Haus & Grund Vereine im Rahmen der Mitgliederberatung vor Ort gerne zur Verfügung. |
Unser Autor: Ralf Schönfeld
ist Verbandsdirektor des
Landesverbands Haus
& Grund Rheinland-Pfalz.