Werden Gebäudesanierung und Hausbau zu einem unkalkulierbaren Kostenrisiko?

Inflation, Rohstoffknappheit und Energiekrise erschweren die (finanzielle) Planung von Baumaßnahmen. Gegen die steigenden Kosten für Baumaterialien möchten sich manche Unternehmen und Handwerker mit so genannten Preisgleitklauseln absichern – worauf Auftraggeber achten sollten.

 Symbolbild KostenexplosionFoto: bakhtiarzein / Adobe Stock

Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld

Während die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie andauern, behindern zusätzlich Lieferengpässe die Produktion – was sich durch den Ukraine-Krieg teilweise noch verschärft hat. Zudem verteuern stark gestiegene Energiepreise auch die Arbeitskosten. Mittelfristig ist mit einer weiteren Zunahme dieser Belastungseffekte zu rechnen.

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen höchste Preisanstiege seit 1949

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im März 2022 um 30,9% höher als im März 2021. Laut Statistischem Bundesamt gab es im März 2022 im Jahresvergleich den höchsten Anstieg der Erzeugerpreise seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. Diese Zahlen zeigen bereits erste Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Hauptverantwortlich ist insoweit die Preisentwicklung bei der Energie. Auch bei so genannten Vorleistungsgütern gab es enorme Steigerungen. Diese waren im März 2022 um 23,3% teurer als ein Jahr zuvor. Die Preise für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen stiegen um 55,0%, während Verpackungsmittel aus Holz binnen Jahresfrist sogar 68,8% teurer wurden.

In Kombination mit den stark steigenden Energiepreisen wird es für Handwerksbetriebe deshalb zunehmend schwieriger, realistische Angebote zu erstellen. Eine falsche Kalkulation führt dazu, dass die Summe auf der Rechnung die entstandenen Kosten am Ende nicht abdeckt. Wollen Handwerker oder Bauunternehmen nach Auftragserteilung versuchen, auftretende Preissteigerungen an den Kunden weiterzugeben, muss dies vorher vertraglich vereinbart werden. Hier stellt sich die Frage, ob und wie dies rechtlich möglich ist und was für laufende Verträge gilt?

Der Handwerker fordert plötzlich mehr Geld – darf er das?

Baumaterialien werden deutlich teurer und sind häufig schwer erhältlich. Manche Holzarten, Stahl, Aluminium, Kunststoffe, Dämmstoffe oder Fliesen werden immer öfter zur Mangelware. Das stellt viele Handwerker und Bauunternehmer vor die Herausforderung, wie sie ihre Geschäfte trotz der hohen Preise und vor allem angesichts der Unkalkulierbarkeit in Zukunft aufrechterhalten können. Für Immobilieneigentümer bedeutet das gleichzeitig, dass zu dem Problem, überhaupt zeitnah einen Handwerker zu finden, jetzt auch noch die Frage kommt, wie die Kosten für zukünftige Aufträge verbindlich kalkuliert werden können.

Immer öfter versuchen Handwerker und Bauunternehmen deshalb gestiegene Kosten an Kunden weiterzugeben. Mit so genannten Preisgleitklauseln kann dies ermöglicht werden – wobei diese kein Freibrief für Handwerker sein dürfen, um fragwürdige Kostenaufschläge vorzunehmen. Eine Preisgleitklausel stellt regelmäßig eine allgemeine Geschäftsbedingung dar und muss deshalb besonders transparent formuliert werden, um wirksam zu sein. Es muss definiert werden, wann eine solche Klausel greifen soll. Für den Kunden muss dabei ersichtlich sein, wie sich der Preis zusammensetzt.

Allerdings ist eine solche Klausel mit einer Privatperson sehr schwer wirksam zu vereinbaren. Dabei müssen die Voraussetzungen, unter denen der vereinbarte Preis wegfallen soll, eindeutig festgelegt sein. Es muss auch vereinbart werden, was denn anstelle des vereinbarten Preises gelten soll. Üblich sind solche Formulierungen nur bei großen Bauvorhaben, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Was für den Umgang mit laufenden Verträgen gilt

Für laufende Verträge ohne Preisgleitklausel gilt zunächst der Grundsatz „pacta sunt servanda“, d.h. Verträge sind zu erfüllen. Wenn Sie einen Festpreis für einzelne Gewerke oder einen festen Einheitspreis vertraglich vereinbart haben, so gilt dieser. Steigende Materialpreise fallen dann in den Risikobereich des Handwerkers, d.h. dieser kann Erhöhungen nicht einfach an den Kunden weitergeben.

Wenn der Handwerker sein Angebot dagegen „freibleibend“ erstellt hat, kann dies nach Auftragserteilung für den Immobilieneigentümer teuer werden. Ein Angebot kann z.B. folgende Formulierung enthalten: „Angesichts der derzeit sehr dynamischen Preisentwicklung für unserer Materialien erhalten wir von unseren Lieferanten momentan nur Tages- bzw. Wochenpreise. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir unser Angebot nur unverbindlich / freibleibend abgeben – uns an die in unserem Angebot genannten Preise nur bis zum (Datum) gebunden halten können.“

Wenn Sie auf ein solches freibleibendes Angebot mit „Ja, ich nehme das Angebot an“ antworten, kann es natürlich passieren, dass sich zwischenzeitlich die Preise ändern. Der Handwerker würde Sie dann darauf hinweisen und ein neues Angebot schicken, das Sie erneut bestätigen müssen.

Störung der Geschäftsgrundlage als Hintertür zum Ausstieg?

Wenn es keine Preisgleitklausel oder ein freibleibendes Angebot gibt, ist für den Handwerker oder ein Bauunternehmen eine Anpassung des Vertrags im Sinne einer Preisanpassung nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Konkret kann es – wie auch bei Rechtsfragen der Höheren Gewalt – zu einem Fall der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB kommen. Dafür müssen im konkreten Einzelfall aber enorme Preissteigerungen und als zwingende Ursache ein plötzlich auftretendes Ereignis vorliegen. Alleine eine Preissteigerung von bis zu 20 Prozent wird von der Rechtsprechung in keinem Fall als ausreichend angesehen. Bei schwerwiegenden Preisverschiebungen soll als Alternative zur Preisanpassung gegebenenfalls eine einseitige Loslösung vom Vertrag möglich sein. Letztlich gilt nämlich der Grundsatz, dass die Änderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nur in recht eingeschränktem Rahmen Einfluss auf bereits bestehende Verträge haben darf.

Fazit: Klare Vertragsgestaltungen schützen vor bösen Überraschungen

Der Ukraine-Krieg hat zu gravierenden Störungen der weltweiten Lieferketten, Güterverknappung und nochmals erheblichen Preissteigerungen geführt. Haus- und Grundeigentümer bleiben hiervon nicht verschont. Ob und in welchem Umfang Preisgleitklauseln ein geeignetes Instrument sind, um bei nicht kalkulierbaren Preissteigerungen einen fairen Ausgleich für zukünftige Baumaßnahmen zu schaffen, muss im Einzelfall geprüft werden. Wenn Sie Aufträge erteilen, sollten Sie darauf achten, dass die Preise für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich verbindlich gelten.

Bei langjährigen vertrauensvollen Kontakten zum örtlichen Handwerker sollten Sie zudem unabhängig von der konkreten Rechtslage im Einzelfall das persönliche Gespräch mit „Ihrem“ Handwerker suchen, um gegebenenfalls gemeinsam einen für beide Seiten wirtschaftlich vertretbaren Kompromiss zu finden. So können laufende Bauprojekte auch bei nachträglichen Preisexplosionen erfolgreich vollendet werden und Sie bewahren sich das gute Verhältnis zu Ihrem „Handwerker des Vertrauens“.

Bei größeren Bau- oder Sanierungsvorhaben sollten Sie sich vor Auftragserteilung zur Vertragsgestaltung in jedem Fall beraten lassen, um finanzielle Überraschungen zu vermeiden. Gerne hilft Ihnen auch die Rechtsberatung Ihres Ortsvereins. 

Unser Autor: der Landesverbandsdirektor Ralf Schönfeld

Unser Autor: Ralf Schönfeld 
ist Verbandsdirektor des 
Landesverbands Haus 
& Grund Rheinland-Pfalz.

 

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