Betriebskosten: Das Wirtschaftlichkeitsgebot befolgen und Streit mit dem Mieter vorbeugen
Vermieter sollten bei allen Abrechnungspunkten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis achten.
Foto: PhotographyByMK / AdobeStock
Von Verbandsdirektor
RA Ralf Schönfeld
Bei der aktuellen Rekordinflation und den besonders hohen Strom- und Heizkosten wird Vermietern und Mietern bereits seit einiger Zeit empfohlen, sich frühzeitig über eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen zu verständigen (siehe auch Seite 4 und 5 der April-Ausgabe des Mitgliedermagazins von Haus & Grund Rheinland-Pfalz). Diese Maßnahme soll verhindern, dass es Anfang 2023 bei der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2022 zu bösen Überraschungen kommt. Vermieter müssen in der ohnehin angespannten aktuellen Situation zudem stets den so genannten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Auge behalten, um zusätzliche Konflikte mit Mietern zu vermeiden.
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Vermieter haben bei der Bewirtschaftung ihrer Immobilien zwar einen gewissen Ermessensspielraum. Für die Wohnraummiete ist gemäß § 556 Abs.3 Satz 1, 2.Halbs. BGB bei der Abrechnung der Betriebskosten aber der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Das gilt gemäß § 560 Abs.5 BGB genauso grundsätzlich bei Betriebskostenanpassungen. Für die Vermietung von Gewerberäumen existiert zwar keine vergleichbare Regelung. Aber auch dort muss grundsätzlich das Gebot der Wirtschaftlichkeit eingehalten werden.
Konkret bedeutet dies, dass Vermieter die Mieter immer nur mit solchen Kosten belasten dürfen, die wirtschaftlich angemessen sind. Im Rahmen seines Ermessenspielraums soll ein Vermieter wirtschaftlich – das heißt: unter Einhaltung eines entsprechenden Kosten-Nutzen-Verhältnisses – handeln. Im Rahmen der ihm zustehenden so genannten Privatautonomie ist ein Vermieter weiterhin befugt, nach seinem Ermessen Betriebskosten jeglicher Art und Höhe entstehen zu lassen. Der Ermessensspielraum ist dabei stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Dazu gehören beispielsweise die Größe und Art sowie die Lage des Mietobjekts.
Der Anwendungsbereich des Wirtschaftlichkeitsgebots bezieht sich im Wesentlichen auf die Prüfung der Höhe einzelner Kosten. Auch wenn einzelne Betriebskostenarten bzw. Kostenteile zunächst wirtschaftlich sinnvoll erscheinen, muss der Vermieter anfallende Kosten der Höhe nach so weit wie möglich und zumutbar begrenzen. Maßgebend sind dabei nicht die persönlichen Vorstellungen des Vermieters, sondern stets eine objektive Betrachtung des Einzelfalls.
Die Prüfpflichten des Vermieters
In der aktuellen Situation mit Inflationsrekorden und steigenden Energiekosten kann sich ein Anlass zu einer Überprüfung der laufenden Verträge ergeben, um die Möglichkeiten für günstigere Konditionen zu klären. Innerhalb der gewählten Versorgungs- bzw. Dienstleistungsart behält der Vermieter trotz Wirtschaftlichkeitsgebot seinen Ermessensspielraum. Das bedeutet: Der Vermieter entscheidet weiterhin selbst, ob das Objekt mit Öl, Gas, Fernwärme oder durch Wärmecontracting versorgt werden soll.
Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ist der Vermieter verpflichtet, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob die dem Mieter berechneten Leistungen dem Umfang nach rechtmäßig, notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es im Allgemeinen, wenn der Vermieter die in einschlägigen Medien regelmäßig veröffentlichten Durchschnittspreise kontrolliert. Die Kostenkontrolle bezieht sich nicht nur auf Fremdfirmen. Auch die Arbeitszeit und -leistung der eigenen Angestellten des Vermieters, etwa des Hauswarts oder von Kräften zur Gartenpflege, ist von Zeit zu Zeit zu überprüfen. In der Praxis sind Fälle nicht selten, in denen eine genauere Kontrolle von Stundenzetteln oder die zeitweilige Einführung von Stundenzetteln erstaunliche Leerzeiten zu Tage förderten.
Beweislast und Betriebskostenspiegel
Macht der Mieter einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot geltend, muss er konkret vortragen, von welchem Anbieter der Vermieter beispielsweise die Leistung preisgünstiger hätte beziehen können. Greift der Mieter die Wirtschaftlichkeit der Heizungsanlage an, muss er nicht nur vortragen, dass die Heizung im Mietobjekt hohe Wärmeverluste verzeichnet, sondern dass (und wie) diese tatsächlich vermeidbar sind. Insofern entbindet fehlende eigene Fachkenntnis die Parteien nicht von der Substanziierungspflicht.
Grundsätzlich muss der Mieter darlegen und beweisen, dass in der Abrechnung der Nebenkosten durch den Vermieters ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot erfolgt ist. In Fällen eines eklatanten Preisanstiegs von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist jedoch der Vermieter verpflichtet, dazulegen, welche konkreten Preisverhandlungen er geführt hat und welche Anstrengungen er unternommen hat, um andere, preisgünstigere Unternehmen für die jeweiligen Tätigkeiten vertraglich zu binden.
Erfolgt keine entsprechende Erläuterung, darf der Mieter seinen Schaden durch die Eingehung einer „unwirtschaftlichen Verbindlichkeit“ anhand der Vorjahresabrechnung berechnen. Ein Betriebskostenspiegel für Deutschland vom Deutschen Mieterbund, der niedrigere Betriebskosten ausweist, kann vom Mieter allerdings nicht genutzt werden, um die fehlende Wirtschaftlichkeit erfolgreich zu rügen. Das hat der BGH (Urteil vom 6.7.2011, VIII 340/10) klargestellt.
Unser Tipp: Vergleichsangebote einholen
Sollte der Vermieter umlagefähige Arbeiten neu vergeben, ist dennoch zu empfehlen, hierbei zumindest drei Vergleichsangebote einzuholen und diese auch bei der Belegeinsicht zur Verfügung zu stellen. Dies gilt insbesondere bei erheblichen Kostensteigerungen um mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Umstand, dass die Hürden des BGH für Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot für den Mieter relativ hoch sind, sollte nicht dazu führen, dass hier die üblichen Standards an die Auftragsvergabe missachtet werden.
Kein Anspruch des Mieters auf Modernisierung
Aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ergibt sich kein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter zur Modernisierung einer vorhandenen alten, die Wärmeversorgung der Wohnung jedoch sicherstellenden Heizungsanlage. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH-Urteil vom 31.10.2007, Az. VIII ZR 261/06; BGH-Urteil vom 12.5.2010, Az. VIII ZR 170/09) wiederholt klargestellt.
Der Betrieb unwirtschaftlicher Anlagen und Einrichtungen hat häufig über dem Durchschnitt liegende Betriebskosten zur Folge. Angesichts der BGH-Rechtsprechung muss der Mieter die negativen Auswirkungen grundsätzlich hinnehmen. Selbst wenn eine Heizungsanlage erst im Laufe des Mietverhältnisses unwirtschaftlich wird, kann der Mieter aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich keinen Anspruch auf Reduzierung der umgelegten Kosten herleiten. Anders kann es nur sein, wenn zum Beispiel eine gesetzliche Verpflichtung zur Modernisierung der Heizungsanlage oder zur Dämmung der obersten Geschoßdecke besteht.
Fazit: Beratung beim Ortsverein hilft, Streit zu vermeiden
Gerade in diesen unruhigen Zeiten, ist es ratsam, bei der Berechnung und Gestaltung der Betriebskosten höchste Sorgfalt walten zu lassen. Haus & Grund Mitglieder, die unsicher sind, wie sie mit steigenden Betriebskosten umgehen sollen, oder die bereits von Mietern den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit erhalten haben, sollten sich dringend beim zuständigen Ortsverein beraten lassen.
Weitere wertvolle Informationen rund um die Betriebskosten erhalten Sie über den Onlineshop des Landesverbands, beispielsweise in Form
- des Infodossiers „Alles rund um die Betriebskosten“,
- des Merkblatts „Betriebskosten“
- oder des Merkblatts „Betriebskosten-Pauschale“.
Streitthema Wirtschaftlichkeitsgebot: So urteil(t)en die Gerichte
Kostensteigerungen bei den Betriebskosten werden mit Blick auf die Erläuterungspflicht in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Nachfolgend sind exemplarisch einige Urteile zusammengestellt, um die Rechtsprechungspraxis zu veranschaulichen. Die Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im konkreten Einzelfall sollte stets geprüft werden, ob und welche lokale und aktuelle Rechtsprechung darüber hinaus existiert. Gebäudereinigung durch die MieterAmtsgericht Neubrandenburg, Urteil vom 17.09.2021, Az. 103 C 432/21 Unabhängig davon, ob im Mietvertrag die Umlage von Gebäudereinigungskosten vereinbart wurde, sind diese nur dann von den Mietern zu zahlen, wenn diese dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen. Es entspricht nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, eine Firma mit der Gebäudereinigung zu beauftragen, wenn die Mieter diese in eigener Organisation und ohne Beanstandung durchführen. Rüge des Mieters muss fristgerecht erfolgenLandgericht Berlin, Beschluss vom 15.6.2021, Az. 67 S 61/21 Der Mieter muss einen Verstoß gegen das betriebskostenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot bis zum Ablauf der Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB geltend machen. Hintergrund: Einwendungen gegen die Abrechnung des Vermieters muss der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung mitteilen. Dies gilt sowohl für formelle als auch für materielle Einwendungen (wie etwa, dass einzelne in der Abrechnung enthaltene Betriebskosten mit der im Mietvertrag vereinbarten Pauschale bzw. durch eine Teilinklusivmiete abgegolten sind und somit in der Abrechnung nicht angesetzt werden dürfen). Betriebskostenspiegel mit (zu) wenig AussagekraftBundesgerichtshof, Urteil vom 6.7.2011, Az. VIII 340/10 Ein Betriebskostenspiegel für Deutschland vom Deutschen Mieterbund, der niedrigere Betriebskosten ausweist, kann von Mieter nicht genutzt werden, um die fehlende Wirtschaftlichkeit erfolgreich zu rügen. Überregional auf empirischer Basis ermittelten Betriebskostenzusammenstellungen kommt aufgrund der je nach Region und Kommune unterschiedlichen Kostenstrukturen im Einzelfall keine Aussagekraft zu. Mit in Betriebskostenspiegeln pauschalierten Betriebskostenwerten unter Außerachtlassen technischer, objektbezogener, jahreszeitlicher sowie regionaler Besonderheiten kann ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot daher nicht begründet werden. Sparen durch Aufstellen zusätzlicher TonnenLandgericht Berlin, Urteil vom 19.2.2016, Az. 63 S 189/15 Besteht nach den örtlichen Gegebenheiten die Möglichkeit, Wertstoff- und Papiertonnen zusätzlich aufzustellen, ist der Vermieter verpflichtet, von dieser Möglichkeit zur Reduzierung des kostenpflichtigen Restmülls Gebrauch zu machen; andernfalls verstößt er gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz. Anstieg der Versicherungsprämie um 70 ProzentAmtsgericht Aachen, Urteil vom 10.8.2011, Az. 109 C 128/09 Übersteigt die Prämie für die Gebäudeversicherung vergleichbare Angebote um 70 Prozent, dann liegt ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor, der den Mieter zur Kürzung der Nebenkostenabrechnung berechtigt. Der Vermieter muss dann darlegen, dass keine günstigeren Verträge hätten abgeschlossen werden können. Auslagerung der Gartenpflege auf eigene FirmaAmtsgericht Aachen, Urteil vom 6.5.2021, 103 C 131/16. Ein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit kann sich bei den Kosten der Gartenpflege daraus ergeben, dass die Arbeiten von einer vermietereigenen Firma zu Stundensätzen ausgeführt werden, die für die tatsächlich eingesetzten Hilfskräfte überhöht sind, sowie auch daraus, dass der Vermieter trotz substanziierten diesbezüglichen Vortrags der Mieterseite nicht darlegt, warum die Auslagerung der Gartenpflegearbeiten auf eine eigene Dienstleistungs-GmbH im konkreten Fall wirtschaftlicher ist als die Durchführung der Arbeit mit eigenem Personal. Kosten zusätzlicher DichtigkeitsprüfungenAmtsgericht Münster, Urteil vom 15.03.2019, Az. 48 C 361/18 Die Kosten einer überobligatorischen Dichtigkeitsprüfung einer Gasleitung können nicht auf den Mieter umgelegt werden. Wird etwa eine Gasleitung alle fünf Jahre, anstatt, wie nach den technischen Regeln vorgeschriebenen, alle 12 Jahre geprüft, liegt ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 556 Abs.3 BGB vor. Kostensteigerung nicht zwingend ein VerstoßLandgericht Berlin, Beschluss vom 17.08.2017, Az. 67 S 190/17 Sind einzelne Betriebskostenpositionen gegenüber dem Vorjahr um mehr als 10 Prozent gestiegen, so spricht dies nicht zwingend für einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot durch den Vermieter. Es ist daher Sache des Mieters, darzulegen und ggfs. zu beweisen, dass ein Verstoß vorliegt. Höhere Heizkosten durch einen LeerstandLandgericht Halle, Urteil vom 17.03.2005, Az. 2 S 264/04 Müssen Wohnungsmieter aufgrund des Leerstands im Haus höhere Heizkosten zahlen, verstößt der Vermieter nicht gegen das nach § 556 Abs.3 BGB geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit. Die Mieter sind daher zur Nachzahlung der Betriebskosten verpflichtet. Liegt ein erheblicher Leerstand (ab 20 Prozent) vor oder ist der Leerstand dem Vermieter zuzurechnen, steht einem Mieter nach Auffassung des Landgerichts zwar ein Anspruch auf Herabsetzung des Verbrauchsanteils auf 50 Prozent zu. Die Vermieterin habe im vorliegenden Fall aber bereits in zulässiger Weise einen Verteilungsmaßstab von 50 Prozent Verbrauchskosten und 50 Prozent Grundkosten gewählt. Verstoß trotz unterdurchschnittlicher KostenOberlandesgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 19.9.2005, Az.25 U 93/05 Liegen bestimmte Betriebskosten unter der ortsüblichen Höhe (zum Beispiel, weil die Hausmeister- und Gartenarbeiten von einem Mieter des Hauses durchgeführt werden), kann ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vorliegen, wenn der Vermieter ohne sachlich gerechtfertigte Gründe den Leistungserbringer wechselt (etwa ein Serviceunternehmen beauftragt) und dadurch erheblich höhere Kosten entstehen. Dies gilt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main auch dann, wenn die neuen Kosten die ortsübliche Höhe für die entsprechenden Leistungen nicht übersteigen. |
Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe Mai 2022 vom 25. Mai 2022). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: