Geh- und Fahrtrecht: Die eingeschränkte Zufahrt zu einem Hinterliegergrundstück reicht aus
Interessanter Hinweisbeschluss des OLG zu einem Nachbarschaftsstreit in Hochspeyer.
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Wenn ein Grundstück nicht über einen eigenen Zugang zur öffentlichen Straße verfügt, dann kann dieser dennoch dauerhaft gesichert werden – und zwar über die Eintragung eines so genannten Geh- und Fahrtrechts über ein Nachbargrundstück. Die im Grundbuch eingetragene Vereinbarung von einst kann mitunter aber später zu Streit oder gar juristischen Auseinandersetzungen führen. Mit einem solchen Fall aus Hochspeyer befasste sich nun der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts in Zweibrücken (Beschluss vom 3. Mai 2022, Az. 7 U 150/20) und stellte dazu Folgendes klar:
- Das Geh- und Fahrtecht muss schonend ausgeübt werden.
- Der Umfang eines Geh- und Fahrtrechts muss sich immer am Einzelfall orientieren und besteht unter Umständen nicht uneingeschränkt.
- Bei der Zufahrt zu einem Hinterliegergrundstück sind damit gewisse Beeinträchtigungen der Zufahrtsbreite hinzunehmen.
Garagenzufahrt über den Hof des Nachbarn
In dem konkreten Fall hatte ein Mann aus Hochspeyer ein so genanntes „Hinterliegergrundstück“, das keinen eigenen Zugang zu einer öffentlichen Straße besitzt, erworben. Die Zufahrt zu dem Anwesen und den dazugehörigen fünf Garagen erfolgte ausschließlich über den Hof des benachbarten Grundstücks. Zur Absicherung des Zufahrtsrechts war im Grundbuch des Nachbargrundstücks ein Geh- und Fahrrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Hinterliegergrundstücks eingetragen. Das Hofgelände zwischen den Gebäuden war groß genug, um bequem in alle Garagen hinein- und herauszufahren.
Rangieren nicht mehr wie gewohnt möglich
Dies änderte sich jedoch, als die Nachbarn auf ihrem Teil des Hofgrundstücks für ihre Mieter zwei Pkw-Stellplätze entlang der Hauswand einrichteten. Waren diese Stellplätze belegt, konnten die Nutzer der Garagen auf dem Hinterliegergrundstück nicht mehr wie gewohnt rangieren. Sie mussten gegebenenfalls rückwärts ein- oder ausfahren.
Keine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts
Deshalb klagte der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks. Er forderte die Nachbarn auf, die beiden Stellplätze zu entfernen und das Geh- und Fahrrecht wieder uneingeschränkt zu gewährleisten. Das in 1. Instanz angerufene Landgericht Kaiserslautern wies die Klage ab, da die Garagen des Klägers weiterhin erreichbar waren und es nach Ansicht des Landgerichts keine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts gab.
Auf Hinweis des OLG die Berufung zurückgezogen
Auf die hiergegen gerichtete Berufung wies das Pfälzische Oberlandesgericht den Kläger in einem so genannten Hinweisbeschluss darauf hin, dass der 7. Zivilsenat beabsichtigt, seine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Kläger nahm daraufhin die Berufung zurück.
Die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen
Zur Begründung führte das Pfälzische Oberlandesgericht aus: Wenn wie hier ein eingetragenes Geh- und Fahrrecht im Grundbuch nicht näher konkretisiert ist, können auch andere Umstände herangezogen werden, um den Umfang des Geh- und Fahrtrechts festzustellen. Hierzu sind zum Beispiel die Gegebenheiten vor Ort und der Sinn und Zweck des Fahrtrechts zu berücksichtigen.
Vorgabe zur Mindestzufahrtsbreite erfüllt
Die zwischen den Grundstücken liegende Hofdurchfahrt muss nach Ansicht des 7. Zivilsenats jedenfalls breit genug sein, um mit einem üblichen Kraftfahrzeug in einer üblichen Bogenfahrt auch die hinterste der Garagen erreichen zu können. Da nach § 32 StVZO die höchstzulässige Breite von Kraftfahrzeugen allgemein 2,55 Meter beträgt, sollte die Zufahrtsbreite mindestens 3 Meter betragen, so der 7. Zivilsenat. In Höhe des Bogens zu den links gelegenen Garagen sollte die Zufahrt etwas breiter sein. Hier orientierte sich das OLG an der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Garagenverordnung - GarVO - Rheinland-Pfalz und hielt eine Breite von mindestens 5 Metern für angemessen. Auch diese Vorgabe war nach den vorlegten Lichtbildern erfüllt.
Kläger hat nachteilige Veränderung hinzunehmen
Die Richter verwiesen zudem darauf hin, dass § 1020 S. 1 BGB den Berechtigten zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit verpflichtet. In diesem Sinne hat es der Kläger hinzunehmen, dass die Beklagten ihr Eigentumsrecht ausüben und einen Teil ihres Grundstücks als Pkw-Stellfläche nutzen, sofern sein Zufahrtsrecht dadurch nicht mehr als notwendig beeinträchtigt wird. Die damit für ihn und die Garagennutzer verbundene nachteilige Veränderung muss er hinnehmen.
Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe Juli/August 2022 vom 15. August 2022). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: