Trotz Kritik und guter Gegenargumente: Aufteilung der CO₂-Kosten beschlossen
Nach einem Stufenmodell müssen Vermieter ab 2023 zwischen 0 und 95 Prozent zahlen.
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Erst verzögerte sich die Einführung. Dann gab es sogar etwas Hoffnung, die guten Argumente gegen eine Aufteilung der CO₂-Kosten zwischen Vermieter und Mieter hätten die FDP zum Einlenken bewogen. Aber am 10. November beschloss der Bundestag schließlich doch das umstrittene Gesetz zur Aufteilung der Kohlendioxidkosten (kurz: Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz oder CO₂KostAufG). Und baute dabei gleich noch zwei für Vermieter ungünstige Änderungen ein:
- In der schlechtesten Gebäudeklasse muss der Vermieter nun 95 Prozent (ursprünglich 90 Prozent) der CO₂-Kosten übernehmen und der Mieter nur noch 5 Prozent (statt 10 Prozent).
- Mieter haben nun zwölf (statt sechs) Monate Zeit, um dem Vermieter gegenüber ihre Erstattungsansprüche geltend zu machen.
Nächster Anstieg auf 2024 verschoben
Seit 2021 wird in Deutschland ein Preis für die Emissionen von Kohlendioxid (CO₂) erhoben. Aktuell liegt der Preis pro Tonne CO₂, die beim Verbrennen von Heiz- und Kraftstoffen ausgestoßen wird, bei 30 Euro. Bis 2025 soll dieser Preis schrittweise auf 50 Euro pro Tonne ansteigen. Ab 2026 soll er über eine Versteigerung von Zertifikaten ermittelt werden (wobei ein Korridor von 55 bis 65 Euro pro Tonne CO₂ vorgegeben ist). Die nächste Preisstufe von 35 Euro pro Tonne (statt der bisherigen 30 Euro) sollte ursprünglich ab 1. Januar 2023 gelten. Diese Erhöhung hat die Ampel-Koalition in Berlin aber mit Blick auf die Energiekrise und die hohe Inflation ausgesetzt. Sie soll nun erst zum 1. Januar 2024 erfolgen.
Aussetzung des CO₂-Preises gefordert
Haus & Grund hatte sogar gefordert, den CO₂-Preis vorübergehend komplett auszusetzen. Schließlich sind die stark gestiegenen Energiepreise schon Sparanreiz genug. „Momentan hat der CO₂-Preis keinen Lenkungseffekt. Er füllt ausschließlich die öffentlichen Kassen und verteuert das Wohnen. Das ist unverantwortlich“, kritisiert Ralf Schönfeld, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland-Pfalz.
Verteilung bemisst sich am Energiebedarf
Die Klimaabgabe betrifft all jene Haushalte, die mit Öl und Gas heizen oder ihr Warmwasser erzeugen. Bisher mussten Mieter ihre CO₂-Kosten selbst tragen – entweder über die Umlage der Betriebskosten oder direkt beim Versorger (wenn sie selbst mit diesem abrechnen). Das ändert sich nun ab 1. Januar 2023 grundlegend. Die Regierungskoalitionen verständigten sich auf ein Stufenmodell für Wohngebäude und Gebäude mit gemischter Nutzung. Der Anteil des Vermieters an den CO₂-Kosten für Wohngebäude soll zwischen 0 und 95 Prozent liegen – abhängig von der Energiebilanz des Gebäudes (gerechnet in Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter). Bei Nichtwohngebäuden wird der Preis zunächst pauschal je zur Hälfte zwischen Vermieter und Mieter aufgeteilt. Aber auch hier soll in einigen Jahren auf ein Stufenmodell umgestellt werden.
Ausnahmen von dieser Aufteilung sollen für Gebäude gelten, deren Eigentümer durch staatliche Vorgaben (etwa bei Gebäuden unter Denkmalschutz oder in so genannten Milieuschutzgebieten) energetische Sanierungen nicht oder nur sehr eingeschränkt durchführen können.
Im Bundestag stimmten SPD, Grüne und FDP für das Gesetz, CDU/CSU und AfD waren gegen den Gesetzentwurf. Die Linkspartei enthielt sich der Stimme. Abschließend soll nun kommende Woche der Bundesrat entscheiden, dessen Zustimmung als sicher gilt.
Beispiele zeigen die Schwächen des Modells
Die Regierung argumentiert, dass durch die Aufteilung nach dem Stufenmodell Vermieter angespornt werden sollen, in eine gute Dämmung und moderne Heiztechnik zu investieren. Allerdings wird dabei übersehen, dass nicht die Rahmenbedingungen entscheidend sind, sondern einzig und allein der Verbrauch, über dessen Höhe am Ende das Verhalten der Nutzer (also: der Mieter) entscheidet. Zwei Beispiele belegen, wie ungerecht die neue Regelung sein kann:
- So ist es durchaus denkbar, dass ein schlechter gedämmtes und überwiegend von berufsstätigen Singles bewohntes Haus mit älterer Heizung beim Energieverbrauch besser abschneidet als ein gut gedämmtes Gebäude, in dem viele Familien leben (die erfahrungsgemäß meist höhere Heizkosten haben als Single-Haushalte) mit moderner Heizung. In diesem Beispiel könnte es also sein, dass der Vermieter, der bereits mehr in Dämmung und Heizung investiert hat, stärker zur Kasse gebeten wird als der sparsamere Vermieter.
- Umgekehrt stellen sich besonders sparsame Mieter beim CO₂-Preis möglicherweise schlechter. Ihre Sparsamkeit könnte dazu führen, dass das Gebäude in eine andere Stufe fällt (in der der Vermieter einen geringeren Anteil an den Kosten tragen muss).
Sachverständige kritisierten die Einteilung
In einer öffentlichen Anhörung des Bauausschusses Ende September hatten zahlreiche Sachverständige den Gesetzentwurf wegen dieser offensichtlichen Schwäche kritisiert. Unter anderem wurde gefordert, die Stufeneinteilung gerechter vorzunehmen – etwa anhand eines Gebäudeenergie-Bedarfsausweises. Zu den Befürwortern dieser Lösung zählte auch der Bundesrat (in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause). Obwohl diesem Wunsch nicht entsprochen wurde, gilt die Zustimmung der Länderkammer zum Gesetz (in deren nächster Sitzung am 25. November) als sicher. Immerhin: Die Bundesregierung sagte zu, eine nachträgliche Umstellung der Einteilung auf Bedarfsausweise perspektivisch prüfen zu lassen.
Haus & Grund prüft eine Verfassungsklage
Haus & Grund bezeichnete die beschlossene Aufteilung der CO₂-Kosten als puren Populismus der Ampelkoalition. „Eine Aufteilung hilft nicht, sondern reduziert sogar den Sparanreiz beim Verursacher, also den Mietern. Das ist nicht nur klimapolitisch kontraproduktiv, sondern verfassungsrechtlich höchst bedenklich“, gibt Landesverbandsdirektor Ralf Schönfeld zu bedenken. Der Zentralverband prüfe derzeit deshalb, beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen das neue Gesetz einzulegen.
Zusätzlicher Zeitaufwand für die Berechnung
Weit schlimmer als die (meist recht überschaubaren) Mehrkosten für Vermieter schätzt Schönfeld den zusätzlichen Aufwand für die bürokratischen Hürden ein. Denn Vermieter müssen die Aufteilung anhand des Verbrauchs und der Brennstoffrechnung vornehmen. Das erfordert Zeit – selbst wenn die Regierung versprochen hat, es würden alle für die Berechnung erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt.
CO₂-Preis erst der Anfang der Umverteilung?
Und schließlich hat die Aufteilung des CO₂-Preises aus Sicht des Verbandsdirektors auch deshalb so einen schalen Beigeschmack, weil sich dahinter ein Paradigmenwechsel versteckt. „Nicht der Mieter als Verursacher des CO₂-Verbrauchs zahlt hier den Preis, sondern zum Teil auch der Vermieter, der darauf nur wenig bis keinen Einfluss hat“, kritisiert Schönfeld. Das sei nicht gerecht. Nicht ganz zu Unrecht befürchteten zudem viele Eigentümer, dass dies erst der Anfang sein könnte, Kosten zu ihrem Nachteil umzuverteilen. So sei im Zuge der Grundsteuerreform beispielsweise schon laut darüber nachgedacht worden, die Grundsteuer künftig aus der Umlagefähigkeit auszunehmen. „Das wird spätestens zur Einführung der neuen Grundsteuer wieder zum Thema werden“, befürchtet Schönfeld.
Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe November 2022 vom 18. November 2022). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: