Creditreform-Schuldneratlas 2022 veröffentlicht: Angstsparen trifft auf Inflation und Energiekrise
Trotz sinkender Überschuldungsquoten sollten Vermieter bei der Neuvermietung vorsichtig sein.
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Die Überschuldungslage der Verbraucher hat sich laut Creditreform-Schuldneratlas 2022 nochmals leicht verbessert. Damit ist ein neuer historischer Tiefststand bei den Überschuldungsfällen in Deutschland erreicht. Die Zahl überschuldeter Privatpersonen hat sich gegenüber dem Vorjahr um rund 274.000 Fälle (- 4,4 Prozent) auf 5,88 Millionen verringert. Nur noch 2,94 Millionen Haushalte gelten als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sank um 0,38 Punkte auf 8,48 Prozent und liegt damit deutlich unter der Neun-Prozent-Marke.
Aktuelle Zahlen verdecken die sich anbahnende Krise
Diese guten Zahlen sind leider trügerisch. Seit Corona reduzieren sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo. Durch die anhaltende Krisenlage geben die meisten Menschen weniger Geld aus und die staatlichen Hilfsprogramme schützen viele Verbraucher. Der Rückgang der Zahl überschuldeter Personen verlangsamt sich jedoch bereits, so Creditreform.
Trendwende in den kommenden Monaten zu erwarten
Die wahren Belastungen werden die anhaltend hohe Inflation und insbesondere die ansteigenden Energiekosten sein, die noch längst nicht vollständig beim Verbraucher angekommen sind. Diese Folgen seien bei der Überschuldung nicht akut spürbar, sondern würden zeitverzögert und mit Langzeitwirkung auftreten. Laut Creditreform ist in den kommenden Monaten eine Trendwende zu erwarten. Die in der Corona-Krise angehäuften Sparguthaben sind vielfach schon wieder aufgebraucht. Das trifft jetzt vor allem Geringverdiener, die auch in normalen Zeiten nicht viel auf die Seite legen können.
Sondereffekt durch Angst und den zeitweisen Lockdown
Ein weiterer Grund für die bis jetzt positive Entwicklung sind die Einschränkungen beim Konsum, die sich durch den Lockdown ergeben hatten. Geschlossene Läden sowie die Angst vor einer weiteren Verschärfung der Situation hatten dazu geführt, dass die Bürger Ersparnisse von mehr als 200 Milliarden Euro zurückgelegt hatten. Mit dem weitgehenden Aufheben der Beschränkungen wurde dann Konsum nachgeholt. Dabei haben auch viele bisher überschuldete Personen ihre angesparten Guthaben genutzt, um Schulden zu tilgen und sich so einen Neustart zu ermöglichen. Dieser Effekt sorgte vor allem im Bereich weicher Überschuldung für die positive Entwicklung.
Der Wertverlust durch die Inflation kommt noch hinzu
Viele Sparguthaben sind aber inzwischen weitgehend aufgebraucht. Für das noch vorhandene Geldvermögen kommt der Wertverlust durch die Inflation hinzu. Nach Berechnungen des ifo-Instituts aus München sank ab der Jahresmitte das Volumen der gesamten Bankeinlagen unter den Wert, der im Vergleich zur Situation in den letzten fünf Jahren zu erwarten gewesen wäre. Wie angespannt die Situation bei vielen Verbrauchern inzwischen ist, zeigt sich vor allem, wenn man die Ersparnisse in Euro und nicht in Spar-Quoten betrachtet. Laut Berechnungen der Bundesbank haben die Haushalte der unteren Hälfte der Vermögensverteilung nur 420 Euro zurückgelegt, während das oberste Prozent der Vermögensverteilung durchschnittlich 120.000 Euro Ersparnisse zur Verfügung hat.
Eine stabile Lage, aber bei sehr gemischten Aussichten
In allen Altersgruppen und geschlechterübergreifend ist die Überschuldung 2022 zurückgegangen. Vor allem jüngere Personen konnten ihre Überschuldung schnell abbauen. Bei den älteren Menschen ab 60 Jahren sieht es hingegen schon deutlich schwieriger aus. Hier ist die Überschuldungsquote nur geringfügig zurückgegangen. Die Zahlen zeigen, dass die deutsche Gesellschaft aktuell vor einer Zeitenwende bei der Überschuldung steht. Altersarmut und Altersüberschuldung gehen Hand in Hand. Zudem kommt Creditreform zu dem Ergebnis, dass auch Energiearmut und Energieüberschuldung miteinander korrelieren.
Die Energiepreise als erheblicher Überschuldungstreiber
Laut Creditreform laufen bis zu 19 Prozent der deutschen Haushalte Gefahr, ihre Rechnungen für Versorgungsleistungen wie Strom, Wasser, Gas und Wärme nicht sofort bezahlen zu können. Das betrifft rund 7,8 Millionen Haushalte bzw. 15,6 Millionen Personen in Deutschland. Der kommende Energiepreisschock zu Beginn des neuen Jahres wird für viele zu einer finanziellen Überforderung.
Fallzahlen: geringerer Rückgang bei weichen Merkmalen
Die Zahl der Fälle mit harten Negativmerkmalen (- 219.000 Fälle; - 6,1 Prozent; Vorjahr: - 224.900 Fälle; - 5,9 Prozent) nimmt in ähnlicher Weise ab wie im letzten Jahr, hingegen geht die Zahl der Fälle mit weichen Negativmerkmalen weniger stark zurück als noch 2021 (- 54.000 Fälle; - 2,1 Prozent; Vorjahr: - 470.000 Fälle; - 15,5 Prozent). Zwischen 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr, und 2022 ist die Zahl überschuldeter Verbraucher in Deutschland um 1,04 Millionen Fälle gesunken (- 15,0 Prozent). Davon wiesen rund 630.000 Fälle harte Negativmerkmale (Anteil: 61 Prozent) und 406.000 Fälle weiche Negativmerkmale auf (39 Prozent).
Verkürzte Wohlverhaltensperiode wirkt sich aus
Der deutliche Rückgang der „harten Überschuldung“ ist zeitversetzt auch als Folge der Corona-Pandemie einzuordnen. Er spiegelt zudem den seit Jahren kontinuierlichen Rückgang von Privatinsolvenzverfahren und Langzeitarbeitslosigkeit wider, so Creditreform. Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen muss kritisch hinterfragt werden, da es hier einen Sondereffekt durch eine Gesetzesänderung gibt. Konsumenten, die sich über ein gerichtliches Verfahren entschulden lassen wollten, bringen es in der Summe 2022 wohl auf mehr als 80.000 Fälle. Dieser Zugang beruht aber nicht auf der aktuellen Krisensituation, sondern auf einer Änderung im juristischen Verfahren: Die Wohlverhaltensperiode ist deutlich verkürzt worden. Damit ist der Zeitraum gemeint, in dem der Schuldner sich bemühen muss, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten einen gewissen Betrag seiner Schuldensumme noch zu begleichen, um dann schließlich in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen.
Viele Insolvenzanträge kamen mit Verzögerung
Nachdem dieser Zeitraum bisher sechs Jahre betrug, hat er sich durch die Gesetzesreform nun auf drei Jahre halbiert. Viele Überschuldete haben mit ihrem Insolvenzantrag gewartet, um die verkürzte Wohlverhaltenszeit bis zum Erlass aller Schulden in Anspruch zu nehmen. Bei der Bewertung der gesamten Überschuldungssituation ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Insolvenzverfahren nur einen sehr kleinen Teil (ca. ein bis zwei Prozent) darstellen.
Fazit: Mietersolvenzcheck ist wichtiger denn je
Die Ergebnisse des Creditreform Schuldneratlas 2022 erscheinen nur auf den ersten Blick positiv. Bei den Hauptauslösern von Überschuldung ist laut Creditreform der Grund „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ um 33 Prozent gestiegen. Wenn man zudem die Ursachen für die aktuellen Zahlen hinterfragt und gleichzeitig berücksichtigt, dass sich Inflation und Energiekrise erst im Lauf von 2023 vollständig im Geldbeutel der Verbraucher auswirken werden, so gilt es für Vermieter, bei der Auswahl zukünftiger Mieter besonders sorgfältig zu sein.
Die Bonität kann jetzt auch online geprüft werden
Ein Mietersolvenzcheck, mit dem das bisherige Zahlungsverhalten eines Mietinteressenten geprüft werden kann, ist deshalb genauso unverzichtbar wie die Vorlage aktueller Einkommensnachweise. Nur so können Vermieter die Gefahr eines Zahlungsausfalls bei zukünftigen Mietern weitgehend vermeiden. Übrigens: Den Mietersolvenzcheck über Haus & Grund Rheinland-Pfalz können Sie nun auch online durchführen.
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Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe Dezember 2022 vom 15. Dezember 2022). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: