Urteil: Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote sind die WEG-Beschlüsse nichtig

Die verbotswidrig erfolgte Einladung zu einer Versammlung machte deren Entscheidungen hinfällig.

Symbolbild WEG-Beschlüsse: Mehrere Figuren im Kreis, eine weitere steht außerhalbFoto: mikey / AdobeStock

Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld

Bei Streit über Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung stellt sich häufig die Frage, ob gefasste Beschlüsse nur anfechtbar oder von vorneherein nichtig (das heißt: unwirksam) sind. Das Amtsgericht Pirmasens hat sich in einer erst jetzt veröffentlichen Entscheidung (Urteil vom 30.03.2022, Az. 2 C 127/21 WEG) mit einem Beschluss beschäftigt, der auf einer Eigentümerversammlung gefasst wurde, zu der in verbotswidriger Weise eingeladen worden war.

Der Fall:

Obwohl die betroffene Wohnungseigentümergemeinschaft noch über eine Hausverwaltung verfügte, lud ein Eigentümer zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 17. April 2021 ein. Bei dieser Versammlung wurden mehrere Beschlüsse gefasst: Die Hausverwaltung wurde abberufen und die Entziehung des Wohnungseigentums eines Miteigentümers beschlossen. Danach gab es bis Ende August 2021 noch vier weitere (außerordentliche) Eigentümerversammlungen. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Pirmasens wurden die in der Versammlung vom 17. April 2021 gefassten Beschlüsse angegriffen. Dabei wurde argumentiert, dass die Beschlüsse bereits nichtig seien, weil durch die Landes-Corona-Verordnung ein Versammlungsverbot bestanden habe. Außerdem habe keine Kompetenz zur Abhaltung der Versammlung vorgelegen. Bei der Klageerwiderung wurde neben formalen Einwänden zur Einhaltung der Klagefrist argumentiert, dass ein mögliches Verbot nach der Corona-Verordnung nicht dazu führe, dass die Versammlung nicht hätte stattfinden können.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Pirmasens:

Das Amtsgericht gab dem Kläger Recht. Für den Erfolg der Klage kam es auf eine rechtzeitige Klageerhebung nicht an, weil die gefassten Beschlüsse sowieso nichtig sind.

Gemäß § 23 Abs.4 Satz 1 WEG ist ein Beschluss nichtig, wenn er gegen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes verstößt, auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann. Soweit es um einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Einberufung der Versammlung (§ 24 WEG) geht, führt ein solcher zwar nicht automatisch zur Nichtigkeit eines Beschlusses. Die gesetzlichen Regeln zur Einberufung sind dispositiv und können geändert werden. Ein anderer Bewertungsmaßstab zur Nichtigkeit gilt aber, wenn ein Wohnungseigentümer vorsätzlich und gezielt von der Mitwirkung bei der Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschlossen werden soll.

Kommt es zu einer solchen bewussten Umgehung, dann steht dies einem Ausschluss an der Mitverwaltung gleich. Im entschiedenen Fall stellte das Amtsgericht eine solche Umgehung fest. Bei der Durchführung der Einladung zur Eigentümerversammlung setzte sich der einladende Miteigentümer über ein gesetzliches Verbot hinweg. Zum Zeitpunkt der Einladung regelte die Landes-Corona-Schutzverordnung, dass jegliche Veranstaltung oder Zusammenkunft im öffentlichen Raum (...) untersagt sei.

Dies galt auch für eine in einer Privatwohnung abgehaltene Eigentümerversammlung, da es sich aufgrund des Charakters der Versammlung um keine private persönliche Beziehung handelte. Außerdem konnte der Kläger einen Anspruch auf Absage der Eigentümerversammlung geltend machen, da zum beabsichtigten Zeitpunkt der Versammlung nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er durch Teilnahme an der geplanten Versammlung eine Ordnungswidrigkeit wegen Verstoß gegen die Corona-Schutzregeln begeht.

Praxistipp:

Während nur „anfechtbare“ Beschlüsse nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist gemäß § 45 WEG bestandskräftig werden, ist ein nichtiger Beschluss absolut unwirksam. Das bedeutet, dass eine solche Nichtigkeit stets zu beachten ist. Wegen der Nichtigkeit ist auch keine gesonderte Anfechtung eines solchen Beschlusses erforderlich. Bei Klageverfahren, die beispielsweise Zahlungsforderungen zum Gegenstand haben, die auf einem nichtigen Beschluss beruhen, ist die Nichtigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen.

Bei Streitfällen rund um die Einladung zur Eigentümerversammlung (das heißt: bei „fehlerhaften" Einladungen) ist oft nicht eindeutig, ob die in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse „nur“ anfechtbar oder direkt nichtig sind. In Zweifelsfällen wird man eher nur von einer Anfechtbarkeit der Beschlüsse ausgehen können. Anders gelagert war dagegen der hier entschiedene Fall, da die Teilnahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätte. Nichtig wären auch Beschlüsse, bei denen die einladende Person das Teilnahmerecht eines Eigentümers bewusst umgeht, indem diesem etwa der Versammlungsort nicht mitgeteilt oder er bewusst nicht eingeladen wird.

Grundsätzlich kann man in folgenden Fällen vom Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes ausgehen:

  • Es gibt formelle Gründe für die Nichtigkeit beim Zustandekommen des Beschlusses.
  • Ein Beschluss ist nach § 23 Abs.4 Satz 1 WEG nichtig, wenn er gegen Vorschriften des WEG verstößt, auf deren Einhaltung nicht „verzichtet“ werden kann. Dabei kann es sich um zwingende Vorschriften des WEG, BGB oder öffentlichen Rechts handeln.
  • Ein Beschluss ist nach § 134 BGB nichtig, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
  • Ein Verstoß gegen die guten Sitten führt nach § 138 BGB zur Nichtigkeit eines Beschlusses.
  • Nichtig ist ein Beschluss auch dann, wenn er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit keine durchführbare Regelung enthält.
  • Darüber hinaus ist ein Beschluss nichtig, wenn darin von Wohnungseigentümern etwas Undurchführbares verlangt wird oder ihnen schlichtweg die Beschlusskompetenz fehlt.

Download:

Sie interessieren sich für die Einzelheiten der Entscheidung des Amtsgerichts Pirmasens? Hier finden Sie den Urteilstext zum Nachlesen:

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe April 2023 vom 27. April 2023). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands:

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