Wallbox-Genehmigung: Eigentümergemeinschaft muss vor einem Beschluss sorgfältig prüfen
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung erfordert konkrete Beschlussfassungen der WEG.
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Von Verbandsdirektor RA Ralf Schönfeld
Im Rahmen der so genannten privilegierten baulichen Veränderungen kann jeder Wohnungseigentümer (in einer Eigentümergemeinschaft) angemessene bauliche Veränderungen z.B. für das Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge verlangen. Dabei kann nur ein Beschluss über das „Ob“ von privilegierten baulichen Veränderungen verlangt werden. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Durchführung (das „Wie“). Darüber entscheidet gemäß § 20 Abs.2 S.2 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG). Hierbei hat die WEG ein weites Ermessen. Maßstab dafür ist der Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Gemäß § 18 Abs.2 WEG muss der Beschluss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Deshalb müssen bei jedem Einzelfall alle Umstände des jeweiligen Falls berücksichtigt werden.
Gemeinschaft kann Bedingungen festlegen
Aufgrund des Ermessens kann die Eigentümergemeinschaft Bedingungen und Auflagen für die Durchführung beschließen, wobei das Gesetz aufgrund der Vielzahl möglicher Fälle keine Vorgaben macht. Mögliche Bedingungen bzw. Auflagen können z.B. die Leistung eines Kostenvorschusses, die Verwendung bestimmter Materialen oder die Vorgabe von Techniken (z.B. Verlegung unter Putz; Typ der Ladestation) sein. Ebenso sind Vorgaben hinsichtlich der Örtlichkeit, des Abschlusses einer Versicherung sowie der Ausführung durch eine qualifizierte Fachfirma zulässig. Dabei müssen solche Vorgaben hinreichend bestimmt sein. Es muss für J eden klar sein, was wann, wo, von wem, mit welchen Mitteln und zu welchen Bedingungen errichtet/verändert/eingebaut wird.
Aktueller Streitfall vor dem Landgericht Frankfurt/Main
Das Landgericht (LG) Frankfurt/Main hat sich mit den Anforderungen an einen wirksamen Beschluss zur Installation einer Wallbox auseinandergesetzt (Urteil vom 22. Dezember 2022, Az. 2-09 S 31/22). Im vorliegenden Fall wurde von der Eigentümerversammlung zunächst der folgende Beschluss gefasst:
„Die Eigentümergemeinschaft gestattet dem Miteigentümer (...) die Installation einer elektrischen Ladestation (unter 11 KW) an seinem Tiefgaragenstellplatz unter nachfolgenden Auflagen:
- Sämtliche Kosten für Installation, Wartung, Instandsetzung, Erneuerung sowie eines möglichen Rückbaus werden durch den beantragenden Eigentümer übernommen
- Vorlage eines aussagefähigen Angebots eines Fachbetriebs
- Anschluss der Ladestation an den privaten Stromzähler
- Ordnungsgemäße und brandschutzkonforme Verlegung der notwendigen Stromleitungen
Die entsprechenden Unterlagen sind der Verwaltung vorzulegen, von dieser zu prüfen und hiernach ggfs. zu genehmigen."
Dagegen wurde Anfechtungsklage erhoben mit der Begründung, die vorgesehenen Auflagen seien unzureichend. Das Amtsgericht wies die Klage zunächst ab und stellte fest, dass das der WEG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden sei. Die Berufung beim LG Frankfurt wurde unter anderem damit begründet, dass eine Verpflichtung des Miteigentümers fehlt, dass dieser für die vorgeschriebenen Installations-, Erhaltungsmaßnahmen etc. einen zertifizierten Fachbetrieb beauftragen müsse und entsprechende Nachweise zu liefern habe. Ferner werde auch keine Haftung für eine eventuelle Beschädigung am Gebäude im Zusammenhang mit der Installation geregelt. Hinzu komme, dass der Beschluss offenlasse, was unter einem Fachbetrieb zu verstehen sei. Die Installation einer Ladestation bedürfe nach § 13 Abs. 2 NAV einer besonderen Qualifikation in Gestalt der Eintragung in das Installateurverzeichnis des Netzbetreibers.
Das Gericht stellte einige wesentliche Anforderungen
Das Landgericht hat nun entschieden, dass der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären sei, da die vorgesehenen Auflagen unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums den Anforderungen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht genügen. Die wesentlichen Aussagen des Gerichts sind wie folgt:
- Die Eigentümergemeinschaft kann auch Bedingungen und Auflagen für die Durchführung einer baulichen Veränderung seitens eines Eigentümers mitbeschließen, wobei das Gesetz aufgrund der Vielgestaltigkeit der denkbaren Fälle keine Vorgaben macht.
- Bei der Genehmigung des Einbaus einer Wallbox muss die gestattete Ladeeinrichtung angegeben werden und es müssen die notwendigen Maßnahmen zur Anschlussverlegung näher bezeichnet werden.
- Die Anlage darf nur durch den Netzbetreiber selbst bzw. durch einen nach § 13 NAV in das Verzeichnis der Bundesnetzagentur eingetragenen Elektroinstallateur eingebaut werden.
- Die ordnungsmäßige Ermessensausübung muss Themen wie Unterhalt/Wartung, Versicherungsschutz (inklusive Mehrkostenfragen) und gegebenenfalls Brandschutz zumindest in der Form umfassen, dass die Eigentümer in der Gemeinschaft vor der Beschlussfassung aller „relevanten Gesichtspunkte gewahr“ sind und sich damit auseinandersetzen, sonst liegt Ermessensnichtgebrauch vor. Ein Brandschutzgutachten ist dabei regelmäßig nicht geboten.
Kritisiert wurde von den Richtern zudem, dass der Beschluss die Gestattung der Installation einer elektrischen Ladestation mit der zweiten vorgesehenen Auflage lediglich an die „Vorlage eines aussagefähigen Angebots eines Fachbetriebes“ geknüpft hat, wobei die entsprechenden Unterlagen der Verwaltung vorzulegen, von dieser zu prüfen und hiernach gegebenenfalls zu genehmigen sind. Die mit dem Beschluss erfolgte Gestattung bezieht sich demzufolge nicht auf ein im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits vorliegendes Angebot, sondern auf ein erst noch vorzulegendes Angebot eines „Fachbetriebes“ nicht näher bestimmten Inhalts. Dagegen hatte das Gericht durchgreifende Bedenken.
Beschluss ohne konkrete technische Angaben
Hinzu komme, dass weder die konkret gestattete Ladeeinrichtung, etwa durch Angabe von Hersteller und Typbezeichnung, noch die notwendigen Maßnahmen zur Anschlussverlegung, etwa der Ort von Kernbohrungen und Leitungsverlegungen, näher bezeichnet, sondern mangels Regelung scheinbar dem bauwilligen Eigentümer überlassen wurden. Stattdessen wurde nur ein Prüf- und Genehmigungsvorbehalt für die Hausverwaltung vorgesehen, wobei die Kriterien zur Überprüfung nicht hinreichend klar vorgegeben sind.
Weiterhin betonte das Landgericht, dass es nach § 13 NAV der Eintragung des Elektroinstallateurs in das Verzeichnis der Bundesnetzagentur bedarf. Für eine ordnungsgemäße Verwaltung wäre erforderlich gewesen, dass dies den Eigentümern bei Beschlussfassung bekannt, von diesen auch gewollt gewesen wäre und von der Hausverwaltung als zu beachtende Maßgabe für das vorzulegende Angebot anerkannt wurde. Ebenso notwendig sei eine Regelung, dass bzw. ob dieses vorzulegende Angebot über die gestattete Installation der Ladestation auch deren regelmäßige Wartung durch einen Fachbetrieb umfasst. Dazu fehle eine Dokumentation, dass die Eigentümer hiervon im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung bei Beschlussfassung absehen oder die Verantwortung bei der Gemeinschaft belassen wollten. Bei dem erfolgten Beschluss ist die Wartung zwar erwähnt, es fehlt jedoch in der Sache eine hinreichend bestimmte Regelung (insbesondere Häufigkeit und Nachweis der Wartung, Wartung durch welchen Betrieb).
Versicherungsschutz außer Acht gelassen
Maßgeblich kommt hinzu, dass der Beschluss sich auch nicht zu Fragen des Versicherungsschutzes äußert und nicht ersichtlich ist, dass die Eigentümer sich hiermit vor Beschlussfassung auseinandergesetzt und ihr Ermessen ausgeübt haben. Mit Blick auf die Ermessensausübung ist es erforderlich, dass der Ausbauwillige auch Gefahren und vor allem Nachteile in der Gebäudeversicherung ausschließen und etwaige (Mehr-)Kosten infolge einer Vertragsanpassung nach Anzeige einer Gefahrerhöhung tragen muss.
Auch bei der Beschlussfassung zu privilegierten baulichen Veränderungen müssen sich die Eigentümer zur ordnungsgemäßen Ausübung ihres Ermessens zumindest der insoweit relevanten Aspekte bewusst sein, da andernfalls ein Ermessensnichtgebrauch und damit ein Anfechtungsgrund gegeben ist.
Im Streitfall wurde dem bauwilligen Miteigentümer außerdem nicht die brandschutzkonforme Installation der elektrischen Ladestation, sondern nur die brandschutzkonforme Verlegung der notwendigen Leitungen auferlegt. Als Fazit mangelte es daher auch an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung bezüglich des Versicherungsschutzes, unabhängig von der Frage, ob hinsichtlich des Brandschutzes weitergehende Anforderungen zu beachten sind.
Fazit: Relevante Punkte im Vorfeld sorgfältig beraten
Die insgesamt relativ „strengen“ Vorgaben des Landgerichts zeigen, wie schwierig es sein kann, vermeintlich „einfache“ Gestattungen zu beschließen. Auf jeden Fall müssen die Eigentümer stets über alle wesentlichen Tatsachenfragen informiert sein, um ihr Ermessen richtig ausüben zu können. Da die Revision zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof die Gelegenheit nutzen wird, um die Anforderungen für einen Beschluss, der ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, näher zu definieren.
Mehr InformationenUrteil des Bundesgerichtshofs:Die komplette Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main zum Nachlesen finden Sie hier: Sie können es aber auch hier herunterladen: Merkblätter:Wer Mitglied einer Eigentümergemeinschaft ist oder werden will, sollte genau wissen, worauf er sich dabei einlässt – auch rechtlich. Das gilt insbesondere für die rechtlichen Spielregeln rund um die Eigentümerversammlung und deren Beschlüsse. Im Online-Shop des Landesverbands sind ein Info-Dossier (zu den wichtigsten Themen rund um die WEG) sowie Merkblätter zu verschiedenen Einzelthemen für Wohnungseigentümer erhältlich:
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Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Info-Service von Haus & Grund Rheinland-Pfalz (Ausgabe September 2023 vom 13. September 2023). Melden Sie sich jetzt an für diesen kostenlosen Service des Landesverbands: