Besteht tatsächlich „keine Notwendigkeit“, um über Straßenausbaubeiträge nachzudenken?
Auf die Frage in der Überschrift hat Haus & Grund eine klare Antwort: Und ob – Straßenausbaubeiträge müssen abgeschafft werden! Die aktuelle Regelung entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit und belastet gerade private Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer unverhältnismäßig.
Viele Kommunen lassen sich nur sehr ungern die Butter oder gar Wurst vom Brot nehmen – aber Straßenausbeiträge sind zutiefst ungerecht und unsolidarisch. Foto: david_drei / flickr.com
Von Verbandsdirektor Ralf Schönfeld
„Beim Thema Straßenausbaubeiträge sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf – ganz im Gegensatz zu anderen Bundesländern übrigens.
Jedenfalls lautete die Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport auf eine parlamentarische Anfrage vor wenigen Wochen lapidar: „Die Landesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Überarbeitung des Kommunalabgabengesetzes (KAG). Änderungen oder Anpassungen sind nicht beabsichtigt.“
Keine Anreize für Gemeinde zur lnstandhaltung
Worum genau geht es? Straßenausbaubeiträge dienen im Wesentlichen der Finanzierung der Erneuerung oder „Verbesserung“ von Straßen. Dies wäre i.d.R. nicht notwendig, wenn die Gemeinden die Straßen regelmäßig instandhalten und instandsetzen würden.
Bleiben die Gemeinden jedoch untätig und warten, bis die „normale Lebensdauer“ der Straßen abgelaufen ist, können sie Erneuerungsmaßnahmen ergreifen und einen erheblichen Anteil der Kosten – ungefragt – auf die Anlieger abwälzen. Dieses Verhalten wird vom KAG belohnt.
Die bürgerfreundliche Alternative wäre, Straßen regelmäßig instandzuhalten. Doch dazu bietet die derzeitige Möglichkeit, Straßenausbaubeiträge zu erheben, keinerlei Anreiz.
Die zu zahlenden Beiträge für Straßenausbaumaßnahmen bewegen sich immer häufiger im mittleren fünfstelligen Bereich und sind für viele Anlieger nicht zu finanzieren. Dieses Problem kann durch Zahlungserleichterungen zwar gemildert, aber nicht behoben werden.
Besonders belastet sind Eigentümer, die gerade erst eine Immobilie erworben haben, da sie die Beiträge zusätzlich zur laufenden Finanzierung schultern müssen. Doch gerade auch ältere Eigentümer, die eine Rente oder Pension beziehen, können die Beiträge nur schwer schultern.
Der Verkauf der Immobilie kann zwar vordergründig das Zahlungsproblem im Hinblick auf die Beitragsschuld lösen, gefährdet aber nicht nur die Alterssicherung des Immobilieneigentümers, sondern greift auch unverhältnismäßig in seine Lebensplanung ein. Etwas, das aktuell bei Mietern, die sich aufgrund steigender Mieten vor der Frage sehen, umziehen zu müssen, vehement als unzumutbar bezeichnet wird.
Umdenken in anderen Bundesländern
Viele andere Bundesländer handeln derzeit und beschäftigen sich mit den Möglichkeiten zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Dies gilt insbesondere für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Hessen. Die CSU hat für Bayern das Ende der umstrittenen Straßenausbaubeiträge sogar bereits beschlossen. Ein entsprechendes Gesetz ist in Vorbereitung.
In Baden-Württemberg und in Berlin (wo das Straßenausbaubeitragsgesetz 2012 wieder aufgehoben wurde) werden keine Straßenausbaubeiträge erhoben. Das ist seit 2016 auch in Hamburg der Fall; dazu wurden im Hamburgischen Wegegesetz die Bestimmungen zu Straßenausbaubeiträgen ersatzlos aufgehoben. Hintergrund dort: Die Aufwendungen der Verwaltung waren höher als das jährliche Beitragsaufkommen.
Grundstückseigentümer ohne „Sondervorteil“
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Das Gesetz geht von der unzeitgemäßen Annahme aus, dass der Grundstückseigentümer durch seine Möglichkeit der Nutzung der Anlage besondere Vorteile hat, und belastet ihn daher mit dem Großteil der Beitragslast. Der abstrakte Vorteilsbegriff geht am Kern des Problems vorbei.
Allenfalls für Erschließungsbeiträge lässt sich ein solcher Vorteil noch herleiten. Doch für die Erneuerung, die unterbliebene Instandhaltungsmaßnahmen ausgleicht, und die Verbesserung, die veränderten Zielsetzungen der Gemeinde Rechnung trägt, gibt es keinen wie auch immer gearteten Sondervorteil mehr.
Zum einen ist die Nutzung der Straßen nicht auf die Anlieger beschränkt. Zum anderen ziehen die Gemeinden aus dieser unbeschränkten Nutzung erhebliche Vorteile, etwa durch Mieter und Gewerbetreibende oder Lieferanten, die alle die Straßen nutzen und zu nicht unerheblichen Steuereinnahmen der Gemeinden beitragen.
Daher ist es schlichtweg falsch, den Grundstückseigentümern einen besonderen Vorteil zusprechen zu wollen.
Vielfach wird argumentiert, dass „hohe“ Beiträge nur anfallen würden, wenn es sich um große Grundstücke handelt. Dies mag in Einzelfällen richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache als solcher.
Über die Höhe der Kosten und damit der Beitragslast befindet allein die Gemeinde durch die Entscheidung über den Ausbaustandard. Dadurch entstehen häufig auch für kleine Grundstücke Beitragssätze im mittleren fünfstelligen Bereich.
Liegen tatsächlich „große“ Grundstücke vor, ist das keine Entschuldigung für eine übermäßige Beitragsbelastung. Denn wenn sich Bürger dazu entscheiden, ein Grundstück zu erwerben, haben sie je nach Baugebiet kaum eine Möglichkeit, die Größe des Grundstücks noch zu beeinflussen.
Viele von den heute betroffenen Grundstücken sind zu einem Zeitpunkt erworben worden, in dem Grundstücke erheblich größer waren als dies heute denkbar und vor allem finanzierbar wäre. Doch haben diese Grundstückseigentümer i.d.R. keine Möglichkeit mehr, einen Teil des Grundstücks zu verkaufen.
Entlastung durch wiederkehrende Beiträge?
Auch die Einführung der wiederkehrenden Beiträge hat zu keiner wirklichen Entlastung der betroffenen Anlieger geführt. Diese zahlen vielmehr über viele Jahre hinweg Beiträge für Maßnahmen, deren Durchführung sie weder erkennen noch überprüfen können.
Oft werden die wiederkehrenden Beiträge i.d.R. über Jahre hinweg erhoben, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Das kann nicht die Lösung des Problems sein. Richtig ist nur, dass wiederkehrende Beiträge zu einer Zahlungserleichterung führen.
Bemerkenswert ist, dass der Landesregierung laut der Landtagsanfrage „keine Informationen dazu vorliegen, wie viele oder gar welche Gemeinden in Rheinland-Pfalz wiederkehrende Beiträge erheben. Diese Informationen könnten nur durch eine Abfrage bei den mehr als 2.300 Gemeinden in Rheinland-Pfalz beschafft werden.“
Fazit: Finanzierung ist Gemeinschaftsaufgabe
Aus Sicht von Haus & Grund sind Straßenbeiträge in jedem Fall zutiefst ungerecht. Besser wäre daher eine Finanzierung durch das Land aus allgemeinen Steuermitteln. An den Kosten der Straßenerneuerung oder -verbesserung müssen alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt werden.
Die Kosten halten sich im verträglichen Rahmen, wenn die Anlagen regelmäßig instandgehalten werden. Die verbleibenden Kosten müssen über den allgemeinen kommunalen Haushalt abgedeckt werden. Dazu kann die Landesregierung den Gemeinden wie auch immer geartete Zuschüsse zur Verfügung stellen.
Haus & Grund fordert daher ein Umdenken bei den Straßenausbaubeiträgen. Straßenausbaubeiträge bringen Eigentümer an den Rand der Existenz und müssen daher abgeschafft werden! Stattdessen sollen die Gemeinden selbst ihre Pflicht zur Instandhaltung der Straßen erfüllen.
Die Straßenausbaubeiträge sind ungerecht, politisch verfehlt und selbst aus Sicht vieler Kommunen unwirtschaftlich. Die Politiker in anderen Bundesländern lenken deshalb schon ein.
Unser Autor: Ralf Schönfeld
ist Verbandsdirektor des
Landesverbands Haus
& Grund Rheinland-Pfalz.