Stehen Formularklauseln zum Thema Schönheitsreparaturen vor dem Aus?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat formularmäßige Quotenabgeltungsklauseln genau so wie die formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergebener Wohnung für unwirksam erklärt. Wir zeigen, welche Konsequenzen sich aus der Entscheidung der Karlsruher Richter für private Vermieter ergeben.
Logisch und wünschenswert: Nach Auffassung von Haus & Grund sollten Mieter künftig grundsätzlich für die Schönheitsreparaturen verantwortlich sein. - Foto: Alpina
Von RA Ralf Schönfeld
Mieter müssen seltener zum Pinsel greifen“, „Ist das der Todesstoß für die Renovierungsklauseln?“ – so oder so ähnlich lauteten viele Schlagzeilen, die auf die Urteile des Bundesgerichtshofs zum Thema Schönheitsreparaturen folgten (BGH, Urteile vom 18. März 2015, Az. VIII ZR 185/14, VIII ZR 242/13 und VIII ZR 21/13). Der BGH hatte sich mit der Wirksamkeit formularmäßiger Renovierungs- und Abgeltungsklauseln beschäftigt.
Durch Renovierungsklauseln wird die (als Teil der Instandhaltungspflicht nach § 535 BGB grundsätzlich dem Vermieter obliegende) Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt. (Quoten-)Abgeltungsklauseln erlegen dem Mieter die Pflicht zur anteiligen Tragung von Kosten der Schönheitsreparaturen für den Fall auf, dass die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses Abnutzungs- oder Gebrauchsspuren aufweist, die Schönheitsreparaturen aber nach dem in der Renovierungsklausel festgelegten Fristenplan noch nicht fällig sind.
Richter kippen frühere Rechtsprechung zu Quotenabgeltungsklauseln
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nun seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, dass die Schönheitsreparaturen auch bei einer zu Mietbeginn dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter übertragen werden können. Auch an seiner weiteren (früheren) Rechtsprechung zur Wirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklauseln hält der BGH nicht mehr fest. Solche Klauseln sind ab sofort unwirksam und können in Verträgen nicht mehr standardmäßig vereinbart werden.
BGH-Urteile haben weitreichende Folgen für den Vermieteralltag
Diese Urteile haben weitreichende Folgen für den Vermieteralltag. Aufgrund dieser Entscheidungen sind die bisherigen Renovierungsklauseln in einer Vielzahl bestehender Mietverträge ab sofort unwirksam. Die rechtliche Konsequenz ist, dass die Durchführung der Schönheitsreparaturen Sache des Vermieters ist. Mieter können dann vom Vermieter verlangen, dass er die Wohnung auf eigene Kosten renovieren lässt, sobald dies erforderlich ist (i.d.R. erstmals nach Ablauf der üblichen Renovierungsfristen seit Übergabe). Hinzu kommt, dass Mieter, die Schönheitsreparaturen ausgeführt haben, ohne hierzu verpflichtet zu sein, nun vom Vermieter Ersatz verlangen könnten.
Bei neu abzuschließenden Mietverträgen über Wohnungen, die unrenoviert übergeben werden sollen, sollte daher festgehalten werden, dass der Vermieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet ist (so genannte Freizeichnungsklausel). Der Muster-Wohnraumietvertrag von Haus & Grund Rheinland-Pfalz wurde bereits entsprechend aktualisiert und steht sowohl als Printversion bei Ihrem Haus & Grund Ortsverein als auch online unter www.mietvertraege-rlp.de zur Verfügung.
Die Übertragung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergegebenen Wohnungen ist laut BGH nur noch möglich, wenn dem Mieter ein angemessener Ausgleich dafür gewährt wird. Was ein angemessener Ausgleich in diesem Sinne ist, ließ der BGH allerdings offen. In dem entschiedenen Fall erklärten die Richter einen halbe Monatsmiete bei einer 3,5-Zimmer-Wohnung für zu wenig. Konkrete Anhaltspunkte, welchen Ausgleich die Gerichte zukünftig als „angemessen“ ansehen werden, gibt es noch nicht.
Zentraler Streitpunkt wird künftig der Zustand der Wohnung sein
Wer nun glaubt, dass mit den neuen Urteilen alles klar sei, der wird sich hier getäuscht sehen. Zentraler zukünftiger Streitpunkt wird die Frage nach dem Zustand der Wohnung sein. Hier hat der BGH wenigstens erklärt, dass der Mieter die Beweislast für die unrenovierte Übergabe der Mietwohnung trägt. Für die Beurteilung der Frage „renoviert/unrenoviert“ kommt es laut BGH darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume bei Überlassung insgesamt einen renovierten Eindruck vermitteln.
Hier stellt sich z.B. die Frage, was bei teilrenovierten Mieträumen gelten soll. Kann von einer „renovierten“ Wohnung ausgegangen werden, wenn z.B. bei einer 3-Zimmer-Wohnung nur zwei der Räume frisch gestrichen sind oder aber die Heizkörper gestrichen sind, die Türrahmen jedoch nicht? Hier ist eine Vielzahl von „Mischkonstellationen“ denkbar. Im Vermieteralltag kommt daher zukünftig in diesem Punkt dem Übergabeprotokoll bei Mietbeginn eine besondere Bedeutung zu.
Unbedingt festhalten, ob Wohnung renoviert übergeben wurde
Dort sollten unbedingt Feststellungen getroffen werden, ob die Wohnung in renoviertem oder in unrenoviertem Zustand übergeben wurde. Die Aufnahme entsprechender Bestätigungs- und Besichtigungsklauseln direkt im Mietvertrag könnte dagegen schon wieder an der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des BGH scheitern.
Schließlich muss zukünftig auch damit gerechnet werden, dass der für die Gewerberaummiete zuständige Senat des BGH seinen Kollegen vom Senat für Wohnraummiete folgen wird und sich die aufgezeigten Herausforderungen zukünftig auch für Gewerberaumvermieter stellen könnten.
Ausweg über eine Individualvereinbarung?
Möchte der Vermieter seinen Mieter in einer Weise zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichten, die der für Formularklauseln anzustellenden Inhaltskontrolle nicht Stand hält, könnte alternativ an eine mit dem Mieter zu treffende Individualvereinbarung gedacht werden. Nicht bei jeder als Individualvereinbarung bezeichneten oder vom Vermieter als solcher beabsichtigten Klausel handelt es sich aber auch tatsächlich um eine Individualvereinbarung.
Um eine mietvertragliche Klausel als Individualvereinbarung einstufen zu können, müssen bestimmte, nicht immer leicht zu erfüllende Voraussetzungen erfüllt sein. Eine Individualvereinbarung liegt nur dann vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen richtig ausgehandelt sind. Der Vermieter muss die Vertragsbestimmungen für den Mieter erkennbar inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und bereit sein, über eine vorgesehene Regelung ernsthaft zu verhandeln. Ob ein Aushandeln stattgefunden hat, ist eine Frage des Einzelfalls.
Im Ergebnis ist bei Individualvereinbarungen größte Vorsicht anzuraten. Insbesondere sollten Zusatzvereinbarungen im Haus & Grund Mietvertrag nur nach vorheriger Beratung durch die örtlichen Haus & Grund Experten erfolgen. Nur dann ist gewährleistet, dass sich Vermieter durch (in bester Absicht erstellte) Formulierungen keine vermeidbaren rechtlichen Nachteile einhandeln.
Haus & Grund fordert gesetzliche Regelung
Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs fordert Haus & Grund eine neue gesetzliche Regelung der Schönheitsreparaturen. Die Schönheitsreparaturen sollten künftig grundsätzlich Sache des Mieters sein. Das würde Rechtssicherheit für beide Parteien schaffen und wäre im Interesse aller Beteiligten.
Die Mieter wollen meist selbst bestimmen, wie beispielsweise die Wände gestrichen sind. Zudem wollen die Mieter auch nicht alle paar Jahre vom Vermieter einen Maler in die Wohnung geschickt bekommen, der dann einzelne Räume streicht. Die BGH-Rechtsprechung der vergangenen Jahre zur Frage der Schönheitsreparaturen hat häufig Streit in ansonsten harmonische Mietverhältnisse getragen.
Die vorab vereinbarte vertragliche Balance wird nun aus dem Gleichgewicht gebracht. Wenn Vermieter sich nicht mehr darauf verlassen können, dass der Mieter am Ende des Mietverhältnisses die Schönheitsreparaturen tatsächlich übernimmt, gerät die Mietkalkulation aus den Fugen, was gerade private Vermieter stark belastet.
Für Vermieter und Mieter untragbar
Als letzte Konsequenz führt dies dazu, das private Vermieter (soweit durchsetzbar) höhere Grundmieten verlangen müssen oder zukünftig weniger Wohnraum zur Verfügung stellen, um sich Ärger und Kosten zu ersparen. Die Politik ist daher gefordert, durch geeignete Gesetzesänderungen diesen für Vermieter wie Mieter gleichermaßen untragbaren Zustand zügig zu ändern.